Der WZ-Chor an der Hochstraße
Das Niederrhein-Quartett um Rolf Schumacher stimmte am Donnerstag in St. Tönis auf die Weihnacht ein.
St. Tönis. Wie gut, dass die WZ eine Zeitung und kein Hörbuch ist, denn die Stimmen von Redakteur und Mitarbeiterin wären nach dem Weihnachtssingen schon arg strapaziert gewesen.
Aber Petrus muss auf jeden Fall ein Fan der WZ und vor allem des Niederrhein-Quartetts sein. Denn während es am Donnerstagmorgen noch vom Himmel hoch schüttete, hörte der Regen pünktlich um 11 Uhr auf, um nach der Veranstaltung um so heftiger wieder einzusetzen.
Aber gesungen wurde an der Hochstraße unter trockenem Himmel. Zwar waren Verstärker und Mikrofon von Band-Leader Rolf Schumacher in den Streik getreten, so dass die Menschen in der Fußgängerzone eng zusammenrücken mussten, um die Geschichten zu hören, die sich um die bekannten Lieder ranken, aber die Lieder schallten von Reepens Café bis weit hinter das Alte Rathaus. Gastronom Stefan Reepen hatte wieder Tische und Bänke unter einem Schirm weggeräumt, damit alle einen trockenen Platz hatten. Alle? Nein, denn zum Teil knubbelten sich die Besucher bis auf die andere Straßenseite.
„Alle Jahre wieder“ — schon das Einstiegslied zeigt, was die Menschen in St. Tönis empfinden. Längst ist das Weihnachtssingen der WZ zur Tradition geworden.
Die kleine Fabienne (4) ist zum ersten Mal da. Weil im Kindergarten ein Virus umgeht, den sie sich nicht fangen soll, darf sie die letzten Tage vor Weihnachten bei Oma und Opa verbringen. Und Roswitha und Manfred Drießen sind extra mit ihr zum Weihnachtssingen gekommen.
„Oh, Tannenbaum“ und „Oh, du fröhliche“ kennt Fabienne aus dem Kindergarten — und kann sie auch auswendig singen. Bei ihren Großeltern wird zu Hause noch gesungen, bei ihren Eltern auch.
Nur ein Gedicht möchte sie lieber nicht aufsagen. Das übernimmt Marianne Nöhsemes. Und zwar auf niederrheinischem Platt. Sie berichtet darin von Weihnachten, dem „Klaas“, der mit seinem Pärdsche unterwegs ist, und von Pitterken und Söffke, die vun de hellije Mann dröme.
Peter und Josefine Trötschkes singen zu Hause auch noch und unterstützen den WZ-Chor hervorragend. „Nur unsere Enkelkinder — zwölf, 16 und 20 Jahre alt — die müssen wir immer zum Singen animieren“, sagt die St. Töniserin.
„Leise rieselt der Schnee“ kündigt Rolf Schumacher an — und die Menschen schütteln die Köpfe. Viele erinnern sich an das Weihnachtssingen im letzten Jahr, als den Musikern die Hände fast an den Instrumenten anfroren. Nein, den rieselnden Schnee möchten sie gar nicht so gerne haben. Lieber singen sie davon.
Irmgard Aerts ist auch eine fleißige Sängerin und Stammgast im WZ-Chor — absolut text- und melodiesicher. „Mir hat man als Kind gesagt, ich könne nicht singen. Bei Oma und Opa, die beide im Chor sangen, durfte ich nie mitsingen.“ Dabei konnte sie da schon alle Texte auswendig. „Und ich singe so gern“, sagt sie strahlend.
„Eine ganz herrliche Tradition“, strahlt auch Rolf Giesen, der jedes Jahr kommt. Jürgen und Gudrun Schönfisch sind extra von außerhalb hergekommen und haben sich ins Parkchaos auf dem Neuen Markt gestürzt, um in die Fußgängerzone zum Singen zu kommen. „Es ist super-schön“, schwärmt Jürgen Schönfisch. „Für uns ist das ein Highlight.“ Er lobt aber auch St. Tönis als Stadt. „Der gepflegte Innenstadtbereich sorgt dafür, dass es hier so stimmungsvoll ist.“
Margret Bailey hat extra die Nikolausmütze herausgekramt. „Ich komme jedes Jahr — wenn ich es nicht vergesse“, sagt sie.
„Es ist immer schön, ich freue mich jedes Jahr, wenn ich wieder zum Singen kommen kann“, strahlt auch Maria Schmidt.
„Ich bin so gut wie jedes Jahr hier“, erzählt Marlies Tillmanns. „Wir treffen uns immer donnerstags mit einer Frauenrunde zum Marktfrühstück, da haben wir jetzt etwas eher aufgehört, damit wir noch singen können.“
Beim „Schneeflöckchen, Weißröckchen“ fängt es leicht an zu nieseln. Einige schauen zum Himmel, als ob sie wissen wollten, ob die Musik aus Sprühregen Flocken machen kann.
Und dann kommt noch ein echtes Novum, bei der das Niederrhein-Quartett echte Jazz-Qualitäten entwickelt. „Wir singen jetzt auf Englisch“, verkündet Rolf Schumacher. Denn tatsächlich sind die Sänger eher älteren Baujahrs. „Wir wollen auch die jüngeren Leute ansprechen“, sagt Schumacher. Im nächsten Jahr soll es schon zwei englische Stücke geben. Diesmal geht zu Jingle Bells so richtig die Post ab, und bei der Wiederholung wippen schon alle in den Knien.
„Da kann ich mithalten“, sagt Karlheinz Kremer lächelnd. „Ich habe das einfach auf Englisch gepfiffen.“
Mit dem traditionellen „Stille Nacht“ ist „Schicht“. Und die Verabredung steht für alle: Am 20. Dezember 2012, 11 Uhr, erklingen wieder Weihnachtslieder. Mit dem Niederrhein-Quartett, der WZ — und einem neuen Verstärker, denn die Ankündigung steht schon: Einer der Sänger will im nächsten Jahr dafür sorgen, dass man nicht nur die Lieder, sondern auch die Geschichten und Gedichte bis hinter das alte Rathaus hören kann.