GSG Willich Von reiner Vermarktung zur Stadtentwicklung
Willich. · Die Grundstücks- gesellschaft der Stadt Willich wurde einst gegründet, um die Gewerbegebiete Münchheide zu entwickeln. Inzwischen kümmert sich die GmbH aber auch um die Stadtentwicklung.
Mit sechs bis zehn Millionen Euro Umsatz pro Jahr und einem Gewinn von rund einer Million Euro im Jahr 2019 ist die Grundstücksgesellschaft der Stadt Willich (GSG) nicht gerade eine kleine Nummer – bemerkenswert vor allem, wenn man bedenkt, dass nur eine Handvoll Leute nebenberuflich für die GmbH arbeitet. Allen voran Willichs Erster Beigeordneter und Kämmerer Willy Kerbusch, der mit viel Herzblut als Geschäftsführer die GSG leitet. Mit ihm und dem Aufsichtsratsvorsitzenden der GSG, Christian Pakusch, haben wir uns über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der GSG unterhalten.
Warum wurde die GSG gegründet?
Anlass, eine städtische Grundstücksgesellschaft zu gründen, war die Entwicklung der Gewerbegebiete Münchheide. Das war 1985. „Eine GmbH hat eine höhere Flexibilität als ein städtischer Haushalt“, sagt Kerbusch. „Und Willich war damals wirtschaftlich sehr schwach. Die Gewerbesteuereinnahmen lagen 1980 bei vier Millionen Mark. Heute sind es rund 40 Millionen Euro.“ Die GSG hat landwirtschaftliche Flächen gekauft und Münchheide I bis III entwickelt. „Das war ein Glücksfall: gute Lage, individueller Zuschnitt der Grundstücke und die Ausrichtung auf mittelständische Unternehmen mit einem guten Gewerbemix“, sagt Kerbusch, gibt aber auch zu, dass dadurch auch wertvolles Ackerland verloren ging. „Heute achten wir stärker darauf, Industriebrachen wiederzubeleben und mit Flächen intelligent hauszuhalten“, sagt Christian Pakusch.
Nach Münchheide war das Stahlwerk Becker an der Reihe
Im Jahr 1995 kam die Frage auf, was aus dem ehemaligen Stahlwerk Becker werden sollte. „Wir wollten keine ungeordnete Entwicklung zulassen und haben uns gefragt, ob wir es uns leisten können, es zu einem Gewerbegebiet zu entwickeln“, sagt Kerbusch. Ursprünglich wollte der Bund 30 Millionen Mark für das Gelände haben, hinzu kamen die Unwägbarkeiten durch die im Boden schlummernden Altlasten. Da der Bund schließlich für diese eintrat, kostete die GSG das Gelände nur noch 250 000 Euro. „Ich habe allerdings auch persönlich auf jeder Baustelle gestanden, um zu beurteilen, welche Kosten jeweils auf die Altlastenproblematik zurückzuführen sind“, erinnert sich Kerbusch. Am Ende habe die Vermarktung der Grundstücke viel länger gedauert, als zunächst angenommen – nämlich bis heute. Die GSG machte mit dem Gelände zwar ein Minus von sechs Millionen Euro, doch Kerbusch spricht trotzdem von einem Erfolgsmodell. Denn: „Allein das Stahlwerk Becker bringt der Stadt jährlich Gewerbesteuereinnahmen von vier Millionen Euro und 300 000 Euro Grundsteuer“, sagt Kerbusch. Vor drei Jahren übertrug die GSG das Grundsrtück an die Stadt, der Wert liegt laut Kerbusch bei rund 14 Millionen Euro.
Das Stahlwerk Becker ist
mehr als ein Gewerbegebiet
Die Mühen haben sich laut Kerbusch also gelohnt. Denn das Stahlwerk Becker ist ein „lebendiges Gewerbegebiet mit Wasserachse, Hunde- und Freizeitwiese, dem Gründerzentrum, in dem auch Veranstaltungen und Ausstellungen stattfinden, und dem Energiezentrum. „Wir sind unkonventionell und probieren Sachen aus. Aber es ist wichtig, ein enges Controlling zu haben und nach Plan zu verfahren und auf Abweichungen zu reagieren“, sagt Kerbusch.
Christian Pakusch weist auf die architektonischen Besonderheiten hin: „Das Stahlwerk ist ein Markenzeichen der Stadt, eine Mischung aus Denkmälern und Modernem.“ Ein optischer Höhepunkt ist die Halle 4, die der GSG allein rund 300 000 Euro Mieteinnahmen pro Jahr beschert. Positiv: „Ich freue mich, dass nun endlich auch der alte Wasserturm und das Wasserwerk saniert werden“, sagt Pakusch. Das Wasserwerk wird derzeit in Regie der GSG zu einem Bürogebäude, in dessen Halle auch Veranstaltungen möglich sind, umgebaut. Anfangs sorgte die Statik für Probleme, doch Kerbusch ist zuversichtlich, dass es im Herbst fertig wird. Das Grundstück hinter dem Wasserwerk soll im Februar zu einem großen Parkplatz umgestaltet werden, auf dem auch Veranstaltungen wie das Märzenfest des ASV Willich stattfinden können.
Münchheide ist weiter Thema der GSG. Es gibt auch Hotel-Pläne
Auch Münchheide IV ist laut Kerbusch und Pakusch fast ausverkauft, nur noch zwei Grundstücke sind frei. Auf einem soll ein Vier-Sterne-Hotel gebaut werden, so der Wunsch der GSG. Verhandlungen dazu laufen bereits. „Die Vielzahl der Firmen in Willich, aber auch die Nähe zu Düsseldorf ist attraktiv für ein Hotel“, sagt Pakusch. Auch auf dem Gelände am Eingang zu Münchheide IV werde noch in diesem Jahr gebaut.
Einer der Schwerpunkte der GSG im Jahr 2020 wird die Entwicklung von Münchheide V jenseits der Autobahn, neben und hinter dem Krematorium, sein, für die die Politik im vergangenen Jahr den Weg frei gemacht hat. Im Frühjahr 2021 soll es fertig sein, sagt Kerbusch, denn vor allem Firmen, die bereits in Willich ansässig sind, bräuchten dringend neue Flächen, um expandieren zu können. „Zwei Firmen warten dringend darauf, sie würden sonst abwandern.“ Derzeit sind noch Archäologen zugange, der Kampfmittelräumdienst ist bereits fertig.
GSG kümmert sich verstärkt
auch um die Stadtentwicklung
Der Willicher Stadtrat hat die GSG beauftragt, maßgeblich das Thema Stadtentwicklung zu übernehmen und Projekte anzustoßen.
In Alt-Willich gehören dazu beispielsweise die Entwicklung des Gebäudes Markt 1, der Stadtschmiede an der Bahnstraße, das Café Kleeberg oder der Saal Krücken, für den derzeit ein neuer Pächter gesucht wird. Größter Brocken ist das Gelände des ehemaligen Katharinen-Hospitals, das die GSG aus eigenem Antrieb von den Augustinus-Kliniken gekauft hat und für das sie nun einen Investor sucht, der dort die „Katharinen-Höfe“ baut und so mindestens 80 Wohnungen unterschiedlicher Preisklassen, Praxen und Einzelhandelsflächen realisiert. „Der Abriss des Krankenhauses war sozusagen eine OP am offenen Herzen“, sagt Pakusch. Die Belastungen für die Anwohner waren unter anderem durch Erschütterungen groß, da die Baustelle mitten in der Innenstadt liegt. „Wir werden Schäden dokumentieren und individuell sehen, dass wir nach dem Ärger eine professionelle Lösung finden“, versichert Kerbusch. Der Neubau der „Katharinen-Höfe“ werde eher verkehrstechnische Belastungen mit sich bringen, sei aber in der Dimension nicht mit dem Abriss vergleichbar. „Wir hoffen, dass dieses Projekt ein entscheidender Entwicklungsschritt für Willich wird“, sagt Kerbusch. Zweite große Baustelle in Alt-Willich wird das ehemalige Brauerei-Gelände sein, in das die GSG allerdings „nur“ das Grundstück des Stadtwerke-Gebäudes einbringen wird, um den Besitzern des Rewe-Gebäudes und der Brauerei-Passage einen Anreiz zu bieten, das Gelände zu verändern. Für die Stadtwerke wird 2020 im Stahlwerk Becker neu gebaut.
In Anrath hat die GSG bereits zwei Grundstücke in der Innenstadt gekauft und dafür 1,2 Millionen Euro investiert, um die Voraussetzungen für den Bau eines Lebensmittel-Vollsortimenters auf dem großen Parkplatz an der Raiffeisenstraße zu schaffen. „Einen Teil der Fläche benötigen wir für öffentliche Parkplätze“, erklärt
Kerbusch.
Fast 500 000 Euro hat die GSG in die neue Stadtbibliothek in Schiefbahn an der Hochstraße im alten Brauhaus investiert. „Dieses Objekt ist für die Innenstadtentwicklung in Schiefbahn sehr wichtig“, sagt GSG-Geschäftsführer Kerbusch. Entstanden sind dort auch zwei hochwertige Wohnungen, „zudem wollen wir im hinteren Bereich drei seniorengerechte Wohnungen bauen lassen.“
In Willichs kleinstem Stadtteil, Neersen, hat die GSG derzeit mehrere Objekte, um die sie sich kümmert. Nachdem das historische Gebäude „Schwarzer Pfuhl“ gerettet und dort die Vollstreckungsabteilung der Stadtverwaltung untergebracht wurde und dort auch vier kleine Mietappartements entstanden, sollen nebenan 30 barrierefreie Wohnungen und fünf Einfamilienhäuser entstehen. Durch den bereits erfolgten Verkauf des Grundstücks sei die Sanierung des „Schwarzen Pfuhls“ finanziert worden, sagt Kerbusch. Wert lege er darauf, dass die Schützenwiese deutlich erweitert und dauerhaft gesichert sei. An der Virmondstraße 115 erfolgt nun der Abriss der alten Hallen, damit dort im Herbst mit den Bauarbeiten für die neue Neersener Feuerwache begonnen werden kann. Denn deren derzeitiger Standort am Niersplank ist zu klein geworden. Dort befindet sich auch der städtische Bauhof, der allerdings noch in diesem Jahr nach Münchheide umziehen wird. „Feuerwehr- und Bauhofgelände sollen 2020/21 für bezahlbaren, barrierefreien Wohnraum entwickelt werden. Der Standort ist ideal, denn es sind nur 500 Meter bis ins Zentrum“, sagt Kerbusch. Weiteres Projekt in Neersen ist der Bau einer neuen zweigruppigen Kita an der Ecke Niersweg/Mutschenweg, der Mitte dieses Jahres beginnen soll. msc