Trauung in Gebärdensprache Ein klares Ja-Wort in einer stillen Welt

Alexandra und Tobias Wynands haben geheiratet. Da beide gehörlos sind, fiel die Hochzeit etwas aus dem Rahmen.

Foto: privat

Willich. Alexandra und Tobias Wynands verstehen sich auch ohne Worte. Eine kleine Geste, ein kurzer Blick genügen schon. Das verliebte Paar, 27 und 30 Jahre alt, braucht die Lautsprache fast nur, wenn es mit Freunden oder der Familie zusammen sitzt. Denn diese sind oft auf das gesprochene Wort angewiesen. Alexandra und Tobias nicht: Beide sind von Kind an gehörlos an der Grenze zur Taubheit. Sie verständigen sich über die Gebärdensprache. In der Pfarrkirche St. Katharina mussten sie davon jetzt aber eine Ausnahme machen. Vor dem Altar gaben sie sich nämlich das Ja-Wort.

„Eine solche Hochzeit haben wir in Willich sicher noch nicht erlebt. Das wird unvergesslich bleiben“, schwärmt Peter Wynands, Vater des Bräutigams. Viele Kameraden aus der Altersabteilung der Feuerwehr und von den ASV-Schützen hätten ihn anschließend darauf angesprochen.

Etwa 45 gehörlose Freunde, überwiegend aus großer Entfernung angereist, waren in der voll besetzten Kirche unter anderem dabei. Aus Aachen kam ein ebenfalls gehörloser Diakon, der die Trauung vollzog. Er richtete seine Worte in Gebärden- und gesprochener Sprache an die Gemeinde. Auch die Lesungen und Fürbitten wurden von ihm „übersetzt“. „Sogar der Fotograf war gehörlos“, erzählt Alexandra Wynands, geborene Adelt.

Der Bräutigam hatte seiner Frau drei Lieder zum Geschenk gemacht, darunter „I will always love you“ von Whitney Huston. Auch der entsprechende Vortrag der Sängerin wurde in Gebärdensprache übertragen. Und Applaus gab es anschließend nur von den hörenden Gästen, alle anderen spendeten Beifall, indem sie die erhobenen Hände schüttelten.

Schon bei der standesamtlichen Trauung in Bad Honnef (von dort stammt die Braut) einige Tage zuvor lief es ähnlich ab. Dort musste sogar noch ein vereidigter Gebärdendolmetscher eingesetzt werden, damit beim Ja-Wort alles seine Richtigkeit hat.

Dass sie in der Welt der Hörenden auffallen, kennen Alexandra und Tobias schon von Kind an. „Als mein Sohn noch klein war, wurden wir schon mal aus dem Coop-Supermarkt geworfen, da er nur kreischend Wünsche äußern konnte“, berichtet Peter Wynands. Seine 27-jährige Schwiegertochter hat neben ihrer Hör- auch noch eine Gehbehinderung und weiß deshalb: „Viele haben Angst, mit behinderten Menschen befreundet zu sein.“

Mutlos hat das die Beiden nicht gemacht — im Gegenteil: Sie haben gelernt, zu kämpfen. Alexandra Wynands ist in der Laut- und Gebärdensprache zuhause. Nach dem Realschulabschluss machte sie eine Ausbildung zur sozialpädagogischen Assistentin und Heilerziehungspflegerin. Sie unterrichtet in einer Gehörlosenschule, fühlt sich wohl in ihrer „stillen Welt“. Traurig mache sie nur, dass ihr das Tragen hochhackiger Schuhe aufgrund der Gehbehinderung ein Leben lang verwehrt sein werde.

Ihr Mann hat eine Lehre als Elektrotechniker gemacht — zu dieser Zeit als einziger Gehörloser in NRW. Er arbeitet seit 13 Jahren bei der Willicher Firma Lücke, macht sogar Montage-Fahrten bis nach Hamburg. Außerdem ist er wie sein Vater beim ASV sowie in der Feuerwehr Willich aktiv: Bei Löscheinsätzen ist er als Maschinist für die Wasserzufuhr zuständig.

Eine Hochzeitsreise hat das junge Ehepaar bisher noch nicht gemacht, die soll später folgen. Einen Hochzeitstanz hat es allerdings schon gegeben. Aufgelegt worden war Herbert Grönemeyer: „Sie mag Musik nur, wenn sie laut ist.“