Willich Gesundheitsfragen am Küchentisch
Im Auftrag des Umweltbundesamtes besucht Markus Nispel Familien in Willich. Die WZ war bei einem Termin dabei.
Willich. Zweieinhalb Jahre bereist er ganz Deutschland. 167 Städte sucht er dabei auf. Zehn Tage ist er jeweils an einem Ort. 2500 Jugendliche und Kinder wird er mit drei weiteren Kollegen befragen: Markus Nispel, Diplom-Psychologe aus Hamburg, ist als Interviewer im Auftrag des Umweltbundesamtes (UBA) unterwegs. Er besorgt das Material für die großangelegte Deutsche Umweltstudie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. „Und das macht mir großen Spaß“, sagt er.
Um kurz nach 17 Uhr sitzt der 47-Jährige mit Ulrike Fode-Kenis in Neersen am Küchentisch. Deren Sohn Magnus (13) ist einer von etwas mehr als 20 Jugendlichen, die in der Stadt Willich an der repräsentativen Umfrage teilnehmen — doch im Moment muss er noch Hausaufgaben machen. Seine Mutter geht deshalb mit Markus Nispel schon mal den Elternfragebogen durch.
Dass sie das tut, ist für Ulrike Fode-Kenis eine Selbstverständlichkeit: „Ich war 28 Jahre lang Krankenschwester, arbeite jetzt in einem Bio-Laden: Gesundheitsthemen haben mich schon immer interessiert“, verrät sie und stellt dem Interviewer ein Glas Wasser und Kekse bereit.
Dieser hat mittlerweile sein Laptop aufgeklappt und einige merkwürdige Geräte aus einer großen Tasche genommen: Ein Schallpegel-Messgerät und ein Ultrafeinstaubfilter-Messgerät sollen in dem 17 Jahre alten Einfamilienhaus, das einen Steinwurf entfernt von der Kapelle Klein-Jerusalem liegt, zum Einsatz kommen.
Eine Etage höher, im Schlafzimmer von Magnus, schließt Nispel wenig später den monoton brummenden Staubfilter an. „Eine Stunde muss er laufen. Türen und Fenster bleiben geschlossen, Tiere und Menschen dürfen nicht hinein“, sagt er.
Zeit genug also, um mit der Befragung in der Küche fortzufahren. Wie groß ist das Haus? Wie wird es beheizt? Haben Sie Teppichböden? Gibt es Fenster zur Straße? In rascher Folge kommen die Fragen, die Ulrike Fode-Kenis meist ohne Probleme beantworten kann.
Schwieriger wird es, als Nispel das Material des Couch-Bezuges („Alcantara?“) erfragt oder wissen will, woraus die Wasserrohre im Haus gefertigt sind. „Puh, so etwas weiß aber auch nicht jeder“, sagt Fode-Kenis.
Ganz sicher ist sie sich, als es um die Ernährung ihres Sohnes geht: „Er hasst Suppen“, lässt sie kurz und knapp auf die Frage wissen, ob Magnus aus Leitungswasser zubereitete Suppen isst.
Wenig später stößt der 13-Jährige zu der kleinen Küchen-Runde. Und schon zeigt sich, dass er und seine Mutter bei einer Beurteilung unterschiedlicher Meinung sind: Während Ulrike Fode-Kenis den Verkehrslärm in der Umgebung als zu laut empfindet, fühlt Magnus sich davon nicht gestört.
Mittlerweile ist es kurz nach 18 Uhr: Markus Nispel lässt sich zwei Trinkwasserproben anreichen, die tags zuvor abgefüllt worden waren. In einer Kühltasche werden die Plastikgefäße aufbewahrt. Am Abend muss Nispel die Messergebnisse in seinem mobilen Labor auswerten, das zurzeit in seiner Ferienwohnung in Kaldenkirchen aufgebaut ist. Auch die Urinprobe von Magnus, die er mitnimmt, muss er zur späteren Untersuchung noch vorbereiten. „Bis etwa 23 Uhr bin ich immer beschäftigt“, verrät er.
Hausherr Werner Fode ist in der Zwischenzeit von der Arbeit nach Hause gekommen. Wenig später muss er eine kleine Panne eingestehen: Da er beim Umziehen ein Brummen im Zimmer seines Sohnes gehört hatte, hat er mal für Sekunden die Tür geöffnet — was der Interviewer ja ausdrücklich untersagt hatte. „Ich werde das im Protokoll vermerken“, sagt Markus Nispel.
Gleich darauf geht er nach oben, um das Messgerät aus dem Zimmer zu holen. Die Stunde Laufzeit ist rum — und das Ergebnis sieht gut aus: 14 615 Feinstaubpartikel pro Kubikzentimer — „das ist ein nur leicht erhöhter Wert“. Werner Fode möchte gerne wissen, woran die leichte Erhöhung liegen könnte, doch diese Frage kann ihm der Mann aus Hamburg leider auch nicht beantworten. Er reicht statt dessen eine Broschüre „Umwelt und Kindergesundheit“ über den Tisch.
Dann erklärt er der dreiköpfigen Familie ausführlich die Verwendung der Innenraum-Luftsammler, die sieben Tage im Haus verbleiben. „Das ist idiotensicher“, kommentiert die Hausherrin seine Ausführungen.
Gegen 19 Uhr ist die Befragung zu Ende, der 47-Jährige packt seine Taschen zusammen. In vier bis sechs Wochen wird Familie Fode ihr persönliches Ergebnis auf dem Tisch haben. „Bleiben Sie uns gewogen“, verabschiedet sich Markus Nispel: Dank ihrer „hohen Befragungsbereitschaft“ könnte es nicht das letzte Mal gewesen sein, dass ein Interviewer sie in Neersen besucht.