Runder Tisch Ärzte sehen „Lock-Prämie“ für Mediziner kritisch

Tönisvorst. · Beim ersten Runden Tisch für Gesundheit wurden Lösungen für die Unterversorgung auf dem Land gesucht.

Beim Runden Tisch im Ratssaal (Foto: Wolfgang Kaiser)   diskutierten Ärzte mit Politikern zum Thema Hausarztversorgung in Tönisvorst.

Foto: dpa/Monika Skolimowska

Von den 15,5 Hausärzten, die in Tönisvorst in der ambulanten Versorgung arbeiten, sind sieben mindestens 60 Jahre alt. Das bedeutet, dass diese Hausärzte voraussichtlich in den kommenden fünf bis zehn Jahren ausscheiden und in den Ruhestand gehen werden. Entsprechend groß wird der Bedarf an neuen Hausärzten sein, um das heutige Niveau in der Versorgung zu erhalten. Bürgermeister Thomas Goßen hat darüber mit der Landtagsabgeordneten Britta Oellers gesprochen – und herausgekommen ist die Idee eines Runden Tisches zur Gesundheit, bei dem Fördermodelle für neue Praxen vorgestellt werden. Am Dienstagabend war zur Gesprächsrunde in den Ratssaal eingeladen worden, und rund 25 Zuhörer verteilten sich auf die Sitze, die sonst von den Mitgliedern des Stadtrates eingenommen werden (Als Beobachter aus der Politik waren übrigens nur Helmut Drüggen, CDU, Vorsitzender des Ausschusses für Jugend, Senioren, Soziales und Sport, und Heinz Michael Horst, SPD, gekommen.)

Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Ein neuer Interessent ist nicht aufgetaucht. Dafür ist zum ersten Mal in Tönisvorst ein Dialog mit Ärzten aufgenommen worden, und es wurde schnell deutlich, dass einige der anwesenden Ärzte die von der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein und vom Land angebotenen Fördermittel durchaus kritisch sahen. Eine Kinderärztin nannte es Unsinn, auf Quereinsteiger zu hoffen. In keiner Ärztegruppe gebe es ein Überangebot. Und anstatt junge Leute mit Geld zu locken, solle der Staat lieber die Bürokratie eindämmen. Tutorials zur Abrechnung oder konkrete Hilfestellung für den Praxisalltag seien wichtiger als Geld.

In Tönisvorst sind jetzt erstmals im Ratssaal Ärzte und Politiker zusammengekommen.

Foto: Wolfgang Kaiser (woka)

„Fördermittel sind
nur Flickschusterei“

Ein anderer niedergelassener Arzt nannte die Fördermittel ein Reparaturprogramm. Zehn bis 15 Jahre sei nichts passiert, jetzt werde mit Flickschusterei weitergemacht. Seit 20 Jahren gebe es diesen Nachwuchsmangel. Für viele junge Ärzte sei eine Niederlassung nicht mehr so attraktiv wie früher, zumal die Gehaltsentwicklung am Krankenhaus aufgeholt habe. Immer wieder klang in den Stellungnahmen aus dem Publikum durch, dass die junge Generation mehr Wert darauf lege, Arbeit und Familie miteinander zu vereinbaren und lieber angestellt bleibe, also das Risiko der Selbstständigkeit mit einer eigenen Praxis scheue.

Bürgermeister Goßen und Britta Oellers standen aber nicht alleine da. Als Gesprächspartner der Tischrunde waren Johannes Martin, bei der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein Projektleiter Strukturfonds, und Fabian Schalt, Referent des Gesundheitsministers aus dem Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes NRW, zugegen. Die KV hat diesen Strukturfonds im November 2017 aufgelegt, es handelt sich damit durchaus noch um ein neues Instrument. 0,1 Prozent der Gesamtvergütung der 20 000 Mitglieder fließen in diesen Fonds, der Betrag wird dann durch die Krankenkassen verdoppelt. So stehen sechs Millionen Euro im Jahr an Fördermitteln zur Verfügung.

Auf der Karte des Landes gibt es besondere Förderbedarf-Regionen, zu denen das Oberbergische Land (Gummersbach), der Niederrhein (Kreis Kleve), aber auch die Städte Viersen, Willich, Tönisvorst und Kaarst gehören. Überall dort haben die niedergelassenen Hausärzte ein relativ hohes Durchschnittsalter.