Konzertlesung eines Holocaust-Überlebenden

Ein Überlebender des Holocausts und eine junge Geigenspielerin sind sich begegnet. Davon erzählten sie im Ende-Gymnasium.

St. Tönis. Michael Emge rührte die 9. und 10. Klassen des Michael-Ende-Gymnasiums mit seiner Vergangenheit zu Tränen. Bei einer Konzertlesung zu dem Buch „Spiel mir das Lied vom Leben“, von Angela Krumpen, Radiojournalistin, Autorin und Mutter eines MEG-Schülers, erzählte der 82-Jährige am Montag seine schreckliche Lebensgeschichte. Als Jude hatte er das Dritte Reich nur überlebt, weil er auf „Schindlers Liste“ stand.

In dem Buch von Angela Krumpen geht es um die Kindheit von Michael Emge — und um seine Begegnung mit der Schülerin Judith Stapf, ein Kind des 21. Jahrhunderts. Die Radiojournalistin hatte diese Begegnung ermöglicht.

Auf der Bühne des Forums las Angela Krumpen aus dem Buch und ließ den 82-Jährigen und das heute 14-jährige Mädchen, das als großes Talent an der Musikhochschule in Köln Geige studiert, erzählen. Michael Emge war dabei sehr aufgewühlt, seine Hände zitterten, er musste teilweise weinen.

„Kein Film und kein Buch können das wiedergeben, was passiert ist. Das kann sich nur jemand vorstellen, der das selbst erlebt hat“, sagte er. Kindheit und Jugend hatte er im Ghetto und im KZ verbracht. Kraft zum Überleben schöpfte er aus der Hoffnung, seine Mutter lebend wiederzusehen. Doch diese Hoffnung erfüllte sich nicht: Seine ganze Familie wurde ermordet.

Was verbindet den Überlebenden des Holocaust und die Schülerin? Auf diese Frage sagten beide: „Musik.“ Denn auch Michael Emge spielte früher hervorragend Violine. Judith wiederum interessierte sich für seine Lebensgeschichte, da sie ein jüdisches Stück auf der Geige spielen sollte. Um es richtig spielen zu können, wollte sie sich in die Vergangenheit eines Juden hineinversetzten.

„Als ich in Amon Göths Villa stand, konnte ich erstmals nachvollziehen, wie das früher war. Da kam auch bei mir die Angst“, erzählte Judith. Göth war Kommandant des Konzentrationslagers Plaszow. Er war für den Tod von mehr als 10 000 Menschen verantwortlich.

Bei der Lesung spielte Judith Geige, ihr Vater Flügel, ihre Mutter und Michael Emge sangen. Zusammen rührten sie viele der rund 250 Schüler, die sich im Forum eingefunden hatten.

Nach der Lesung hatten einige Jugendliche die Gelegenheit, Michael Emge, Judith Stapf und Angela Krumpen persönlich kennenzulernen und ihnen Fragen zu stellen. „Ich fand es sehr berührend und bewegend, so jemanden zu treffen“, sagte danach Nicole (15) aus der Klasse 9d. „Ich habe die ein oder andere Träne vergossen“, ergänzte Mitschülerin Janine (15).