Willich Kunst im Kern: Kreative Lässigkeit in Willich

Malerei, Theater, Musik und Literatur mitten in der Stadt — das Riesenprogramm wurde am Bilderbuch-Samstag bestens angenommen.

Foto: Kurt Lübke

Willich. Leerstände, welche Leerstände? Am Samstag gab es in Alt-Willich kein einziges Ladenlokal, in dem nicht jede Menge los war: Künstler hatten Geschäftsflächen in Beschlag genommen und jede Menge Leben in die Ortsmitte gebracht.

Es war unmöglich, alles zu sehen, alles zu erleben, dafür war das Angebot einfach viel zu groß. Gaby Rogahn hatte vor ihrem Geschäft auf der Peterstraße eine Bank umstrickt — Strick-Graffiti. Schräg gegenüber legten Bärbel Stangenberg und ihre Musikerinnen von „Samba X“ eine Percussion hin, die die Menschen begeisterte — und die „Kalle“ ganz schön Angst einjagte.

Kunst im Kern - 2. Kultursamstag in Willich
27 Bilder

Kunst im Kern - 2. Kultursamstag in Willich

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„Kalle“ ist der kleine Hund von Renate Diekmann. Gemeinsam mit Wilfried Werbitzki aus Neuss präsentierte sie zwei Projekte mit Kindern — aus einem war sogar ein Buch hervorgegangen. Kinder hatten Bilder zu der Geschichte der Außerirdischen gemalt, die in Willich versehentlich gelandet waren und den Ort erkundeten.

Karl Tolls hat 78 Jahre alt werden müssen, um seinen Traum vom Malen zu verwirklichen. In einem früheren Geschäft für Tapeten und Farben an der Bahnstraße stellte er seine abstrakten Mischtechniken aus und freute sich über positive Resonanz.

Peter Wynands stellte in einem ehemaligen Frisörsalon gegenüber dem „Alt Willich“ aufschlussreiche Fotos aus: Bereits 1895 standen dort, wo heute die Kugelahorn-Exemplare am Markt stehen, Bäume. Es ging aber auch ohne: „Von 1968 bis 1987 gab es allerdings keine Bäume im Schatten der Kirche“, wusste Wynands zu berichten.

Dort, wo die Schützen jedes Jahr ihre Tribüne errichten, stand einst das ehemalige Rathaus, dicht an die Kirche geschmiegt. Neben den vielen Fotos blieb etwas Platz für die zarten, colorierten Willich-Skizzen von Peter Schmitz — ob Kirch-, Wasser- oder Fernmeldeturm, er schien kaum eine Sehenswürdigkeit ausgelassen zu haben.

Iris Sonntag stellte nicht nur bei „Mrs. Sporty“ aus, sondern ebenfalls in einem idyllischen Hinterhof an der Bahnstraße. Die gelernte Konstrukteurin schärft mit ihren tollen Bildern den Blick für das Schöne im Alltäglichen. Ein besonders gelungenes Beispiel: „Sonnenaufgang auf der Autobahn.“

Wer den Marktplatz ansteuerte, machte aus verschiedenen Gründen nichts verkehrt: Dort gab es gehobene Gastronomie, man konnte seine Sommerbräune — vielleicht ein letztes Mal? — auffrischen und es gab jede Menge zu sehen. Stadtarchivar Udo Holzenthal schlüpfte in die Rolle des Moderators. Dort gab es Interessantes zu sehen und zu hören: Es traten „Frauenpower“ und der Meisterchor Orpheus auf. Armin Küpper holte alles aus seinem Saxophon. In der katholischen öffentlichen Bücherei zeigten Schüler von Sven Post, was sie in seinem Theater-Improvisationskurs gelernt haben.

Bei „Kunst im Kern“ sollte niemand außen vor bleiben. Eingebunden wurden auch Asylbewerber, die im ehemaligen Katharinen-Hospital untergebracht sind. Es waren die kleinen, die ungeplanten Momente, die „Kunst im Kern“ ihren Stempel aufdrückten. Eine besonders rührende Szene: Der frühere Willicher Lehrer Hans-Gerd Buchkremer, der nach einem Schlaganfall auf einen Rollstuhl mit Elektroantrieb angewiesen ist, drehte eine Runde mit einem kleinen syrischen Jungen auf dem Schoß. Keiner hatte den anderen zuvor jemals gesehen, man vertraute sich und hatte viel Spaß.

Eine Anrather Künstlerin animierte die Flüchtlinge, ihre jüngste Vergangenheit mit Bildern aufzuarbeiten. Da waren Landschaften auf Laken gemalt zu sehen, die sie während ihrer Flucht passiert hatten. King (21) aus Nigeria, sagte auf Deutsch: „Ich bin sehr zufrieden hier in Willich“ — dieser Satz ging ihm locker über die Lippen.