Mein Leben in Santa Cruz

Inga Fier (19) aus St. Tönis verbringt ein soziales Jahr in Bolivien. Hier schreibt sie über ihre ersten Eindrücke, 22 Reisestunden von der Heimat entfernt.

St. Tönis/Santa Cruz. Seit dem 13.September lebe ich in der bolivianischen Großstadt Santa Cruz de la sierra. Bolivien! Kaum zu glauben, dass dieser Traum von einem völlig anderen Leben in einer neuen Kultur, mit fremden Menschen und jeder Menge Herausforderungen, so langsam Alltag wird.

Ein Jahr ist eine lange Zeit und Bolivien weit weg von all dem, was ich kenne, all dem, was ich "zu Hause" nenne, 22 Reise-Stunden entfernt. Nun melde ich mich aus dem Kinderheim "Hogar de la Esperanza" (Heim der Hoffnung). Mit mir sind drei weitere Mädels aus Deutschland dort, mit denen ich zusammen arbeite und wohne.

Mittlerweile habe ich mich hier gut eingelebt. Santa Cruz ist in acht Ringen aufgebaut. Das Kinderheim, in dem ich arbeite liegt auf dem siebten Ring also ziemlich am Rande der Stadt, mit dem Micro (kleine Busse, mit denen man für 1,50 Bolivianos, rund 15 Cent, so weit fahren kann, wie man will) ist man aber schon in 30 Minuten im Zentrum der Stadt.

Das Stadtbild ist sehr unterschiedlich. Während es im Zentrum asphaltierte Straßen gibt, die von kleinen Steinhäusern umgeben sind, schlängeln sich weiter außerhalb oft nur schmale Sandstraßen an einfachen Hütten vorbei. Überall dazwischen stehen Palmen und stromern Hunde, Pferde und Kühe frei herum.

Die meisten Gegenden sind ziemlich vermüllt. Armut ist an jeder Ecke spürbar. Trotz allem strahlen die Menschen eine derartige Lebensfreude aus und begegnen einem mit so viel Offenheit und Herzlichkeit, dass man sich sofort willkommen fühlt.

Das Kinderheim ist an bolivianischem Standard gemessen recht sauber und verhältnismäßig gut ausgestattet. Geleitet wird es von vier katholischen Ordensschwestern aus Kolumbien. Die Eltern der meisten Kinder sind im Gefängnis "Palmasola", zum Teil wurden die Kinder aber auch einfach abgegeben oder auf der Straße aufgelesen. Die Babys werden in vielen Fällen noch vermittelt, viele auch nach Europa.

Insgesamt gibt es sieben Häuser, auf die 150 Kinder im Alter von 0-17 Jahren aufgeteilt sind. Jedes der Häuser wird von einer Hausmutter 24 Stunden am Tag an sechs Tagen in der Woche betreut. Da sich jede Hausmutter um 30 Kinder kümmern muss, wird ein funktionierender Tagesablauf meist über die individuellen Bedürfnisse der einzelnen Kinder gestellt. So wird dann auch mal eben ein Geburtstag vergessen oder die ein oder andere Träne nicht getrocknet. Gerade deswegen ist unsere Arbeit hier von Bedeutung.

Ich arbeite morgens ab 8 Uhr im Haus der "Bebés II" bei den Ein- bis Dreijährigen. Nach meiner Mittagspause, in der ich meistens mit den Mitarbeitern und Kindern im Heim mitesse (in der Regel Reis, wenn es Suppe mit Hühnerfüßen gibt, verzichte ich), bin ich bei meinen Jungs im Haus "Cristo Rey". Soweit es meine Spanischkenntnisse schon erlauben, helfe ich bei den Hausaufgaben und beschäftige mich ansonsten mit denen, die ihre Aufgaben schon erledigt haben.

Zur Zeit ist die Sprache auf jeden Fall noch ein Hindernis, ich muss oft nachfragen, häufig fehlen mir die Worte. Dennoch fällt es mir langsam leichter, den bolivianischen Akzent zu verstehen und selbst wenn es mal nicht klappt, ersetzt ein Lächeln vor allem bei den Kindern eigentlich fast jedes Wort.

Insgesamt fühle ich mich hier in Bolivien schon jetzt sehr wohl und habe die Kinder, mit denen ich arbeite, ins Herz geschlossen. Gerade deswegen ist es auch oft schwer zu sehen, wie viel diesen Kindern, die so herzlich und liebenswert sind, verwehrt bleibt.

Ich würde gerne etwas daran ändern und mit den Kindern Ausflüge organisieren. Dabei hoffe ich auf ein wenig Unterstützung aus der Heimat.