Tönisvorst Michael Horst vermisst die Vertraulichkeit früherer Zeiten

Tönisvorst. · Als einer von fünf Stadtverordneten erhält der SPD-Fraktionsvorsitzende den Ehrenring der Stadt Tönisvorst.

Der Tönisvorster SPD-Fraktionsvorsitzende Heinz Michael Horst ist seit 25 Jahren Mitglied im Stadtrat und erhält in der kommenden Woche den Ehrenring der Stadt.

Foto: Wolfgang Kaiser

Als am zweiten Weihnachtstag des Jahres 2004 ein Tsunami die ganze Welt in helle Aufregung versetzte, war Heinz Michael Horst mitten dabei. Der begeisterte Taucher saß mitsamt Familie in einem Flugzeug, das im Landeanflug auf die Malediven im Indischen Ozean war und plötzlich durchstartete. Eine „Tiger wave“ hatte den Flughafen überflutet. Die Maschine wurde nach Colombo, der Hauptstadt von Sri Lanka, umgeleitet. Wieder zu Hause startete Horst zusammen mit Georg Hermes von der UWT die private Initiative „Hilfe für Hikkaduwa“. Auch dieser Küstenort auf Sri Lanka war vom Tsunami betroffen, und es gab eine Reihe Tönisvorster Bürger, die persönliche Kontakte dorthin hatten. Im Freundeskreis sammelten die beiden Tönisvorster rund 50 000 Euro für die Menschen in Hikkaduwa.

Gemessen an diesen dramatischen Ereignissen sind die Spannungen aus dem Tönisvorster Stadtrat, der „Eklat“, als die SPD-Fraktion die Ratssitzung geschlossen verließ, natürlich weit harmloser. Jetzt bekommt Heinz Michael Horst, Vorsitzender der SPD-Fraktion, in der Ratssitzung am 19. September den Ehrenring der Stadt Tönisvorst verliehen. Nicht für seine Reaktion auf die Geschäftsordnungsanträge, auch nicht für seine geschliffene Rhetorik, sondern – und das gilt für alle Stadtverordneten – für 25 Jahre im Stadtrat.

Horst kam sogar vor 30 Jahren zum ersten Mal in den Stadtrat, aber er pausierte einmal fünf Jahre – von 1994 bis 1999 – aus beruflichen Gründen. Die Frage, ob früher alles besser war, findet Horst schwierig. „Alles natürlich nicht, aber vieles war früher klarer“, formuliert er vorsichtig. 1989 habe es noch kein Handy gegeben, dafür viel mehr persönliche Gespräche. Ohne die digitalen Helfer war die Präsenz in den Fraktionssitzungen viel wichtiger. Manches wurde hinter den Kulissen diskutiert und vorberaten – im direkten Kontakt.

Michael Horst bedauert es, dass die Mitglieder des Stadtrates heute wenig Zeit außerhalb des Protokolls investierten. Beim Sommerfest oder der Weihnachtsfeier konnte man schon mal ins Gespräch kommen. Es gab einen anderen Umgang, auch mit dem politischen Wettbewerber. Untereinander wurde „schon mal eine Tür aufgemacht“. Es sei sehr schade, dass es so etwas heute kaum noch gäbe. Heute sei alles sehr schnelllebig. „Dabei ist die Gemeinsamkeit flöten gegangen.“

Trotzdem ist Michael Horst keineswegs harmoniesüchtig. Immer schon seien im Stadtrat die Meinungen sehr aufeinander geprallt. Aber im Rat gab es immer Respektspersonen, die Konflikte ausgeräumt haben. Horst ist schon lange Fraktionsvorsitzender. Und es ist bekannt, dass er es gut mit Horst von Brechan konnte, dem langjährigen Fraktionsvorsitzenden der CDU. Argumentativ und politisch lieferten sie sich einen harten Wettbewerb, aber man respektierte sich in höchstem Maße. „Ich schätze seine Leistung hoch ein“, sagt Horst heute. Und erklärt, von Brechan sei ein Mann, der über den Tellerrand schauen kann.

Auch wenn Horst nicht darüber spricht, kann man sich vorstellen, dass beide unter vier Augen vieles abgesprochen und dann auch gehalten haben. Früher, so weit lässt sich Horst aus, sei viel mehr zunächst vertraulich und nicht sofort öffentlich besprochen worden. Heute müsse alles „transparent“ sein. Wenn alles an die Öffentlichkeit gezerrt werde, wobei manchmal frühzeitige „Transparenz“ schädlich sein könnte. Vieles sei dann nicht mehr
handelbar.

Heute gehören dem Rat sechs Fraktionen an. Das sei einerseits ein Zeichen für die unterschiedlichen Interessen in der Gesellschaft, andererseits verbrauche diese Vielfalt unangemessen viel Raum, vor allem Zeit. Es bestehe die Gefahr, dass große Probleme nicht mehr angegangen und pragmatisch gelöst werden können.

Horst trat 1987 in die SPD ein,
um die Partei zu unterstützen

In die SPD ist Heinz Michael Horst 1987 eingetreten. Damals studierte er in Hamburg, bei der Bürgerschaftswahl 1986 verlor die SPD ihre absolute Mehrheit. Horst wollte die SPD unterstützen. Als er als Diplomkaufmann frisch mit dem Studium fertig war und er zurück in seine Heimatstadt Tönisvorst kam, wurde er 1989 in den Stadtrat gewählt. Vorher hatte er schon als sachkundiger Bürger erste Erfahrungen in der Kommunalpolitik gesammelt. 1989 war er 27 Jahre alt. Er war angesprochen worden, und Themen wie die Gemeindewerke und das Krankenhaus interessierten ihn. Auch heute müsse man hoffnungsvolle junge Leute für die Politik interessieren. Er wisse, wie die Jungen familiär und beruflich stark eingebunden seien und nicht alle Termine wahrnehmen könnten. Aber er empfiehlt jedem, Kontinuität einzuplanen. Den Rat mit seinem formelhaften Ablauf, bei dem das Wort nach einer Rednerliste erteilt wird, hält Horst nicht für das richtige Format, junge Leute einzubinden. Aber in der Fraktion und den Arbeitskreisen könne mehr und freier diskutiert werden.

Aber vielleicht müsse sich für alle noch mehr ändern. Das momentan vorherrschende Klima mit Herablassung und Arroganz stört Michael Horst sehr. Auf die Frage, ob nicht er auch Schärfe in die Sitzungen des Rates bringe, antwortet Horst ganz entspannt. Er lege gerne klar seine Meinung dar. Aber Schärfe bringe er nie im ersten Anlauf rein, erst als Retourkutsche. Er könne auch austeilen, aber es sei nicht sein Ziel oder seine Taktik, Aggressivität
hineinzubringen.

Seine Entscheidung für die Sozialdemokratie war von Anfang an klar. Schon seine Eltern waren SPD-Wähler. In einer Volkspartei müsse man mit Kompromissen leben. Horst ist trotzdem kein Freund der großen Koalition in Berlin. Zum Zustand seiner Partei in den bundesweiten Umfragen sagt er lieber nichts. Und einen Wunschkandidaten für den Parteivorsitz gibt es für ihn nicht. Die kommunalpolitische Arbeit in Stadt und Kreis füllt ihn aus. Macht er nach 2020 weiter? Nach zwei großen Operationen ist ihm klar, dass sich was verändern muss. Der heute 57-Jährige ist aber nicht der Typ, so etwas über die Zeitung zu erklären. Nur so viel lässt er sich entlocken: Er will mit 70 nicht mehr Fraktionsvorsitzender sein. Und er wünscht sich mehr Zeit für seine Hobby, die Jagd und das Tauchen in tropischen Gewässern.