Nachfahren deportierter Juden zu Besuch: Trauer, Freude, Stolz
Nachfahren von Juden, die den Holocaust nicht überlebt haben, waren zu Gast in der Stadt Willich.
Willich. Vor der Stolpersteinverlegung am Sonntag nahmen die Nachkommen der Willicher Juden an einer Stadtführung teil. Diese stand unter dem Thema: „jüdische Geschichte in der Stadt.“
Stadtarchivar Udo Holzenthal führte die Gruppe gemeinsam mit Bernd-Dieter Röhrscheid über die verschiedenen Friedhöfe und andere Orte, zum Beispiel an den Platz, wo die alte Synagoge in Schiefbahn stand. Die Nachkommen nutzten die Gelegenheit, um über das Erlebte ihrer Vorfahren zu sprechen.
Einer von den 17 deportierten Juden, für die die Stolpersteine verlegt wurden, ist Arthur Lion. Seine Tochter Else Lion, die mittlerweile verstorben ist, konnte noch rechtzeitig vor den Nazis nach England fliehen und brachte dort Joan Chantrell zur Welt. Die Engländerin freut sich sehr über das Treffen am Wochenende: „Ich bin sehr froh darüber, dass für meine Familie Stolpersteine verlegt werden“, sagt sie. „Aber es ist auch ein sehr trauriges Gefühl, zu wissen, was früher passiert ist“.
Ihre Mutter habe ihr viel erzählt über die Zeit des Holocaust. So überlieferte sie die Geschichte, wie sie nach ihrer Flucht 1945 nach Willich zurückkehrte. Damals war es üblich, dass die verlassenen Häuser der Juden geplündert wurden und alles, was nicht niet- und nagelfest war, gestohlen wurde.
Als Else Lion nach Willich kam, rechnete sie schon fest damit. Doch das Haus befand sich im selben Zustand wie am Tag des Verlassens. Nachbarn und Freunde der Willicher Familie hatten für das Haus gesorgt, so dass es zu keinen Plünderungen kam. Umso mehr freut sie sich mit ihrem Ehemann, dass sie beide nach Willich eingeladen wurden: „Es ist eine große Ehre“, sagt Leonard Chantrell. Auch Joan Chantrells Bruder Alan Buxton ist aus England gekommen. „Ich bin so dankbar für die Arbeit, die hier getan wird.“ Als er über die Flucht seiner Mutter spricht, sagt er: „So etwas soll nie wieder jemandem passieren“.
Aus Israel ist Anat Shalom angereist. Ihr Vater Werner Rübsteck konnte aus Deutschland fliehen und gründete in Israel eine neue Familie. „Er hat durch den Holocaust seine ganze Familie verloren und musste bei Null beginnen“, sagt sie. Ihre Mutter habe Ähnliches erlebt: „Sie wohnte in Budapest und musste auch fliehen“. Um an die Vergangenheit zu erinnern, seien Aktionen wie die Stolpersteinverlegung wichtig. „Als wir davon erfahren haben, haben wir uns sehr gefreut“, sagt sie.