Neersen: Des Kämmerers Kros-Schublade

Fast jeder hat sie, die Schublade, in der Wichtiges neben Überflüssigem lagert. Sogar der Mann, der in Willich über jeden einzelnen Cent Auskunft geben können muss.

Neersen. Henny Hechler, Sekretärin von Willichs Kämmerer Willy Kerbusch, reagiert unerschrocken auf die Anfrage: "Haben Sie und Ihr Chef Kros-Schubladen? Und dürfen wir einmal einen Blick hineinwerfen?" Henny Hechler antwortet für sich und für ihren Chef gleich mit: "Na, klar! Keine Heimlichkeiten, keine Peinlichkeiten."

Das wollen wir erst einmal sehen. "Na, dann machen Sie Ihre Schublade doch zuerst auf." Was haben wir denn da? Eine Parfüm-Probe von Jil Sander, daneben verpacktes weißes Geschenkband und einige Batterien. "Die sind gebraucht. Ich hatte noch keine Zeit, sie in den Behälter zu werfen", sagt Hechler. Und was macht sie mit Tipp-Ex in Zeiten von PC und Laptop?

"Sie glauben gar nicht, wie viele Formulare wir noch mit der Schreibmaschine ausfüllen", antwortet die Verwaltungsfrau. Deshalb lagert auch das Typenrad mit dem kleinen Schrifttyp für die Elektrische in der Schublade. Was hat es mit dem leeren Umschlag auf sich, der an der Seite schwarz verschmiert ist? "Darauf lege ich den Eingangsstempel ab - das einzige Stück mit einem festen Platz in dieser Schreibtisch-Schublade."

HennyHechler, Sekretärin des Willicher Kämmerers Kerbusch, über den Inhalt beider Kros-Schubladen

Henny Hechler fördert Stadtpläne zu Tage, dicke Gummis für Kladden ("damit der Inhalt nicht rausfällt"), große Büroklammern und ein Korrekturband. Dahinter stecken Pflanzenschutz-Zäpfchen und Düngestäbchen, Plastiktüten und Weihnachtskarten. Und hier: Schwarz-rot-goldene Luftschlangen. Von 2006? "Nee, Karneval 2007. Da habe ich mir zur Frauen-Fußball-WM mit vier Kolleginnen Fußballtrikots mit Namen und Nummern besorgt."

Zwei DinA4-Blätter - "Die neue Vitamin-Diät" - wandern in den Papierkorb. "Die habe ich nie gemacht!" Und nie benutzt hat sie die Stempel: Eilt sehr. Persönlich. Durch Boten. Terminsache.

Ob die Glühwein-Bonbons noch schmecken? Henny Hechler wusste nicht mehr, dass sie sie noch hatte. Dafür ist die Verwendung der Corega-Tabs klar: "Zum Säubern unserer Warmhaltekannen." Auch die Anleitung für die Entkalkung des Kaffeeautomaten darf nicht verloren gehen. Der Chef ist Kaffeetrinker.

Gehen wir also mal rüber in Willy Kerbuschs Büro. Er zieht die oberste Schublade aus: Sie ist übersichtlicher als die Hechler-Lade, auf den ersten Blick beinahe enttäuschend unkrosig. Aber schon der zweite Blick lohnt. Etwa auf die sechs Stiftehüllen: "Ich neige dazu, die Stifte offen liegen zu lassen", grinst der Kämmerer. Eine zweite Lesebrille muss sein, so, so. Die vielen Schlüssel kann er nicht mehr allen Schlössern zuordnen. Und was haben Sie mit diesen Schrauben und Nägeln vor? "Die sind von meinem Vorgänger Eckelboom, der war handwerklich geschickter als ich."

Neben zwei Passbildern von 2008 ("Wer weiß, wo man sich mal bewerben muss"), hat Kerbusch auch die Betragsbestätigung als SPD-Mitglied von 2007 aufbewahrt. Und was steckt da in der Klarsichthülle? "Der Reserveknopf für eine Lederhose, mein Karnevalskostüm von 2009."

Eins noch zum Schluss: Henny Hechler hatte nicht einen Cent in ihrer Schublade. Kämmerer Kerbusch dagegen schon. Sein Notgroschen beläuft sich auf exakt 4,05 Euro. Krosartig!