Anrath: Bier auch für Diabetiker

In einem Projekt der Hochschule Niederrhein lernen Diabetiker den richtigen Umgang mit ihrer chronischen Erkrankung.

Anrath. Es sind keine Memorykarten, die die Studentin der Oecotrophologie, Anne Grömping (25), auf dem Tisch verteilt hatte. Vielmehr geht es in den Räumen der Anrather Arbeiterwohlfahrt darum, bei den Bildern von Forellenfilet, Knäckebrot, Eiscreme oder Kartoffelchips die richtige Menge der Broteinheiten zu erraten.

Wie wichtig die Ernährung für Insulin spritzende Diabetiker ist, wird bei der fünftägigen Beratung der Hochschule Niederrhein deutlich.

"Es ist fantastisch, wieviel Zeit man sich hier für uns nimmt", sagt die Schiefbahnerin Liane Issler begeistert. Die 66-jährige frühere Lehrerin, die sie seit 16 Jahren Insulin zuspritzen muss, hat zwar schon an einigen Schulungen teilgenommen, lernt aber wieder etwas dazu.

Vor allem ist neu für sie, dass man die Mahlzeiten immer zur etwa gleichen Zeit zu sich nehmen und in etwa gleich über den Tag verteilen sollte. Sonst kann’s schwierig werden. So habe sie kürzlich das Abendessen um zwei Stunden nach hinten geschoben: "Mit der Folge, dass mein Blutzuckerspiegel enorm angestiegen ist."

Natürlich ist die Ernährung das Hauptthema des Kurses. Da wird von den fünf Teilnehmern, die allesamt im Alter erkrankt sind, das Mittagessen geplant und zubereitet. Es gibt zu Mittag Pumpernickel, Frischkäse, gefüllte Paprika mit Reis.

"Es ist Schnee von gestern, dass die Diabetiker keinen Zucker mehr essen dürfen", klärt Professor Dr. Peter Kronsbein (51) auf. So sei es überhaupt nicht schädlich, wenn zum Beispiel in einem Käsekuchen ein geringer Zuckeranteil vorhanden sei.

Und ein weiterer Hinweis des Sachverständigen: Eiweiße und Fette lassen die Blutzuckerwerte nicht ansteigen.

"Allzu oft wird davon gesprochen, dass die Patienten zu disziplinlos mit ihrer Ernährung umgehen", sagt Kronsbein. Aber oft liege es auch an einer falschen Medikamenteneinstellung und Dosierung.

Um dieses zu verbessern werden eben mehrmals täglich die Blutzuckerwerte gemessen und die Werte der zu sich genommenen Broteinheiten in ein Wochenprotokoll eingetragen. Dieses Protokoll sollen die Teilnehmer in den nächsten Wochen ihren Ärzten vorlegen.

Die Ernährung ist nicht das einzige Thema an diesem Tag. Es geht unter anderem noch um die Fußpflege und die Fußgymnastik. Denn Nervenschäden und Durchblutungsstörungen können die Folge einer längeren Erkrankung sein. Verletzungen an den Füßen werden nicht rechtzeitig gespürt, weil das Schmerzempfinden fehlt.

"Vor allem ist wichtig, niemals mit scharfen Gegenständen und Scheren die Füße zu behandeln", rät Peter Kronsbein. Bei den ersten Anzeichen von Durchblutungsstörungen solle man sofort den Arzt aufsuchen.

Helmut Balgheim, gelernter Schreiner, ist seit 30 Jahren Diabetiker, kann mit seiner Krankheit dem eigenen Bekunden nach gut umgehen. Für die Ernähung des 74-jährigen Vorsters sei seine Ehefrau zuständig.

Auf den Ratschlag des Professors, dass Alkohol nur in Grenzen erlaubt sei, meint er mit einem Augenzwinkern: "Vor einigen Tagen habe ich mit einigen Freunden einige Gläser Alt getrunken. Da weiß man am nächsten Tag wenigstens, warum es einem dann nicht so gut geht..."

Zum dritten Mal wird das Projekt in Anrath durchgeführt. Unter den Teilnehmern ist Elisabeth Mertens, die vor über 15 Jahren an Diabetes erkrankte. "Ich wollte einmal von einer neutralen Stelle beraten werden", sagt die Anratherin.

Die 74-jährige fühle sich hier besser aufgeklärt als bei ihren relativ kurzen Arztbesuchen. Ähnlich geht es Monika Clemens (71): "Die persönliche Ansprache und die Harmonie von uns Fünf hat mir sehr gut gefallen."