Neersen: Matthias Freihof ist Regisseur von „Monsieur Claude und seine Töchter“ Freihof sorgt für Leichtigkeit

Neersen · Nachdem der Schauspieler vor zwei Jahren auf der Bühne stand, ist er nun Regisseur in Neersen.

Vor zwei Jahren verkörperten In Neersen Matthias Freihof (l.) den gelähmten Philippe und Pierre Sanoussi-Bliss den Pfleger im Stück „Ziemlich beste Freunde“.

Foto: Achim Hüskes

Der Berliner Matthias Freihof entschleunigt in ländlicher Umgebung. Jedenfalls ist das Fahrrad sein Fortbewegungsmittel. Er radelt während der Festspielzeit von seiner Interims-Bleibe zur aktuellen Arbeitsstätte am Neersener Schloss. Bewegung vor der Bühnenpräsenz, Aufwärmen vor den Ansagen.

Für 10.30 Uhr ist an diesem Tag eine Pressekonferenz angesetzt. Die letzte Premiere der Saison „Familienbande“. Genau die naht: „Monsieur Claude und seine Töchter“. Das Stück ist ein Selbstläufer, Reklame nicht mehr nötig, die Karten sind vergriffen. Die Schauspieler und Ausstatter gehen trotzdem konzentriert in die Aufwärmphase vor dem ersten Auftritt vor zahlendem Publikum. Die große Kino-Vorlage soll in Neersen nicht nur an der Kasse ein Bestseller werden.

Freihof nähert sich
den Themen diffenrenziert

Matthias Freihof führt Regie. Er erscheint zum Austausch übers Theaterstück mit der örtlichen Presse sportlich-leger gekleidet, in Poloshirt, Bermuda-Shorts und Flip-Flops. Keine Hauptstadt-Allüre erkennbar. Er reiht sich – ohne Aufheben um sich zu machen – gleich in die Riege seines Ensembles ein. Dabei spricht die Vita des Mannes Jahrgang 1961, gemessen an seinen Verpflichtungen als Schauspieler und Sprecher vor Kameras, in Tonstudios und Theaterhäusern, eigentlich dafür, die Prominenz der Spielzeit zu sein.

Seinen Karriereweg säumen ungezählte Krimiserien und Filme: „Notruf Hafenkante“, Soko Wismar, Stuttgart und Leipzig. „Küstenwache“... Von 1998 bis 2003 spielte er die Rolle des Assistenten Lorenz Wigand von Hauptkommissar Siska in der gleichnamigen ZDF-Krimiserie.

Man sollte und darf Freihof aber nicht auf 45-Minuten-Spannung im Vorabendprogramm reduzieren. Der Mann kann auch Charakter. Spielen. Ausfüllen. Stempel aufsetzen. 1990 übernahm Freihof die Hauptrolle in dem DEFA-Film „Coming Out“, der mit dem Silbernen Bären als bester Film der damaligen Berlinale ausgezeichnet worden ist. Für Freihof gab es den Darstellerpreis des letzten Nationalen Filmfestivals der DDR. Der Name Freihof findet sich außerdem auf Besetzungslisten von „Weißensee IV“ und Tatortproduktionen…

Freihof wurde in Plauen geboren. Die Ost-Vergangenheit habe ihn im Einsatz seiner Sprache geprägt, sagt er. „Offiziell hat man so gesprochen, in der Familie so.“ Er nähert sich Themen differenziert, nicht in Schwarz-Weiß-Dialektik. Es ist das Prinzip Rede und Gegenrede. Nur so könne man Konflikte austragen und aushalten. Und mit der Fähigkeit, über sich selbst lachen zu können. Auch ein Ausdruck seiner Kreativität, die er als Schauspieler und als Regisseur einsetzen will.

Die Proben- und Auftrittsatmosphäre in Neersen kennt Freihof seit 2016. In dem Jahr spielte er die Rolle des querschnittsgelähmten Millionärs Philippe in „Ziemlich beste Freunde“. Zuschauer und Kritiker feierten Freihofs „große darstellerische Fähigkeit“. Die eisern gespielte Bewegungslosigkeit ließ ihn nur Kopf und Stimme einsetzen. Er packte das Publikum.

Neersens Intendant Jan Bodinus hat Freihof durch Pierre Sanoussi-Bliss kennengelernt, den er vor drei Jahren für die Rolle des Sozialhilfeempfängers Driss besetzte. Bodinus: „Als ich Pierre für ,Ziemlich beste Freunde’ engagiert habe, hat er mir Matthias Freihof vorgeschlagen.“ Freihof, so Bodinus, habe einen ausgezeichneten Ruf als Regisseur. Er habe ihn gerne für „Honig im Kopf“ engagiert. Und so habe sich die weitere Zusammenarbeit ergeben. Bodinus: „Jeder von uns hat seine eigene künstlerische Handschrift. In organisatorischen und grundsätzlichen Fragen sind wir uns jedoch oft absolut einig und sprechen eine Sprache.“ In der Vorbereitung telefoniere man natürlich des Öfteren, „um grundsätzliche Konzepte in Regie, Bühne, Kostüm und Besetzung abzusprechen“.

Die letzte Probenwoche für Freihofs zweite Regietätigkeit in Neersen läuft. Und was sagt Monsieur Claude-Darsteller Kay Szacknys über den Lenker auf der Bühne? „Matthias Freihof ist für mich ein Regisseur, dem ich vor allem vertrauen kann, was für einen Schauspieler das Allerwichtigste ist.“

Ist es ein Vorteil, wenn ein Regisseur auch gelernter und aktiver Schauspieler ist? Szacknys: „Natürlich kann es gut sein, wenn der Regisseur auch Schauspieler ist. Aber auch die Arbeit mit Regisseuren, die nicht als Schauspieler tätig sind, kann genauso interessant sein. Ich würde da keinen generellen Unterschied sehen.“ Freihof hat angekündigt, der Leichtigkeit und dem Humor, den der Kinofilm ausgemacht hat, in Neersen Raum zu geben. Und er setzt Musik und Sounds in der Vorstellung ein. Denn die Vita ist nicht komplett ohne den Musiker Freihof.

Noch vier Tage bis zur Premiere. Der Spielzeit-Endspurt nimmt an Fahrt auf.