Wie kommt man vom Lehramtsstudium in Germanistik und Geschichte dazu, Kabarettist, Slam-Poet
und Schriftsteller zu
werden?
Interview Patrick Salmen „Bin ein menschgewordenes Partyhütchen“
Interview Der Wuppertaler Patrick Salmen ist Lese-Kabarettist. Im Anrather Lise-Meitner-Gymnasium stellt er sein Buch vor.
Patrick Salmen: Ich habe immer wahnsinnig gerne geschrieben, aber nie ernsthaft mit dem Gedanken gespielt, das Ganze hauptberuflich auszuüben. Durch eine Verkettung diverser Ereignisse gab es irgendwann einen Zeitpunkt, an dem ich von den Auftritten und meinen Büchern leben konnte und musste mich dann entscheiden, welchen Weg ich einschlage, weil ich beides nicht unter einen Hut bekommen hätte. Ich habe jedoch noch keine Sekunde bereut. Mein Job ist wahnsinnig facettenreich, und ich lerne viele spannende Menschen kennen.
In Ihrem Buch „Treffen sich zwei Träume. Beide platzen“ betonen Sie, wie sehr Sie Menschen hassen. Haben Sie da den richtigen Beruf gewählt, wo Sie im ständigen Austausch mit diesen sind?
Salmen: Als misanthropischer Lehrer wäre es wesentlich fataler geworden. Aber Hass ist ein großes Wort, ich würde mich eher als Zweifler am Gesamtkonzept Menschheit bezeichnen. Jedoch gibt es ja zum Glück sehr viele Ausnahmen. Reflektierte Menschen mit Humor, Empathievermögen und der Fähigkeit, sich selbst nicht immer so wichtig zu nehmen. Viele meiner
besten Freunde sind
Menschen.
Welche Vorstellung ist schlimmer: von Ihren Kollegen witzig gemeinte Nachrichten in Vong-Sprache zu erhalten oder zu Hause aufzuwachen und ein Wandtattoo über ihrem Sofa zu entdecken?
Salmen: Ich würde in beiden Fällen unmittelbar den Notstand ausrufen. Allein der Gedanke an Wandtattoos mit Aufschriften wie „Carpe Diem“ oder „Welcome Home“ lässt mich ängstlich erzittern. Aber diese Vong-Zeit war ebenfalls ein großer Tiefpunkt der Humorgeschichte. Zu Hülf!
Nehmen Sie sich selbst aufs Korn?
Salmen: Ja. Ich rege mich wahnsinnig gerne auf und empfinde Wut als großen kreativen Treibstoff. Am meisten rege ich mich aber über Menschen auf, die sich ständig über alles aufregen. Im Grunde bin ich in einer endlosen Spirale von Selbsthass gefangen. Aber im Ernst: Nur wer über sich selbst lachen kann, darf auch über andere spotten. Gesellschaftskritik von Leuten, die sich selbst für unfehlbar halten, kann ich persönlich nicht ernst nehmen.
Improvisieren Sie auf der Bühne?
Salmen: Nein, nicht wirklich. Manchmal gehe ich spontan auf Situationen im Saal ein oder erfreue mich an schönen Reaktionen, skurrilen Lachern oder dubiosen Zwischenfällen während der Lesung, aber ein großer Improvisator werde ich in diesem Leben nicht mehr. Dafür bin ich nicht Rampensau genug. Ich liebe das Lesen und Erzählen und bin froh, dass meine treuen Zuschauer diese vermeintlich unspektakuläre Darstellungsform zu schätzen wissen.
Wie geht das Publikum nach Hause? Wie sollen sich Volker und Kerstin fühlen – Menschen, die wie die Charaktere in Ihrem Buch heißen?
Salmen: Bei der letzten Lesung ist ein Zuschauer nach zwei Minuten eingeschlafen, der ging auf jeden Fall ausgeruht nach Hause. Im Idealfall haben Volker und Kerstin sich in gewissen Szenerien wiedererkannt und viel über sich selbst lachen können. Mehr will ich doch gar nicht.
Freuen Sie sich auf Ihre Auftritte? Auf diese Frage erwarte ich meist ein euphorisches ‚Ja, natürlich‘, deswegen ist es umso spannender, einem Zyniker diese Frage zu stellen.
Salmen: Sie empfinden mich als Zyniker? Das wäre bedauerlich. Ich bin trotz aller Weltzweifel ein menschgewordenes Partyhütchen und aufrichtiger Fan vom Leben an sich. Zynismus ist ein aus Einsamkeit und Verbitterung resultierender Schutzmechanismus, ich hingegen bin ein zart-schimmernder Sonnenschein der Poesie in einer immer kälter werdenden Welt. Okay, da muss ich selber lachen. Aber ja, ich liebe meine Arbeit! Von daher muss ich diese Frage zu Ihrer Enttäuschung mit „Ja, natürlich“ beantworten. Tut mir leid!