Rat sagt ja: Daihatsu wird gemietet
Die Gewerbe-Immobilie an der Industriestraße soll nun für 130 Bewohner umgebaut werden.
St. Tönis. Bis zuletzt versuchten Anwohner der Industriestraße die Unterbringung von zunächst beabsichtigten 130 Flüchtlingen im ehemaligen Daihatsu-Gebäude zu verhindern. Auf dem Rathausplatz und auf der Empore des Ratssaales hielten sie Schilder hoch. „Keine Abschiebung in Gewerbegebiete“ oder „Asyl Ja — Massenlager Nein“ stand darauf.
Doch bei wenigen Gegenstimmen sprach sich der Rat in nichtöffentlicher Sitzung dafür aus, mit dem Eigentümer einen Vertrag über zunächst zehn Jahre abzuschließen. Es geht um die Gewerbe-Immobilie von rund 2000 Quadratmetern, die der Eigentümer wohngerecht umbauen will. Der Quadratmeterpreis soll 6,06 Euro betragen. Er erhält insgesamt monatlich rund 12 000 Euro.
„Es ist nicht eine Frage des Wollens oder Könnens, sondern des Müssens“, hatte Bürgermeister Thomas Goßen gesagt, als im Rat öffentlich über die Anmietung gesprochen wurde. Nahezu täglich stünden neue Flüchtlinge vor der Tür. Waren es vor einer Woche 28, die in der Turnhalle untergebracht wurden, dürften es, so Goßen, am Montag bereits 40 sein. Er erzählte von Gesprächen mit dem TV Vorst. In ein bis zwei Wochen müsste auch die Hans-Hümsch-Halle als erste Flüchtlingsaufnahme genutzt werden. Goßen: „Die Lage wird sich entspannen, wenn im Daihatsu-Komplex ab Mitte Juli die ersten Asylbewerber einziehen.“
SPD-Fraktionsvorsitzender Michael Horst sagte, man habe großes Verständnis für die Sorge der Anwohner, sei zwar nicht ganz glücklich über die „sehr komprimierte Form“ der Unterbringung im Daihatsu-Komplex, aber es führe kein Weg daran vorbei. Horst weiter: „Wir erwarten jetzt, dass die Verwaltung mit Volldampf daran arbeitet, für die Betreuung ein vernünftiges pädagogisches Konzept auszuarbeiten und dieses dem Rat in der nächsten Sitzung vorzulegen.“
Goßen: „Wir werden eine notwendige hauptamtliche Betreuung nicht durch ein ehrenamtliches Engagement ersetzen.“ Man habe Gespräche mit freien Trägern geführt, nehme Sorgen und Ängste der Anwohner ernst.
Michael Horst, Helmut Drüggen (CDU) und Torsten Frick (FDP) verwahrten sich gegen den Vorwurf der Anwohner, man sei in der Sache konzeptionslos. Die Politiker gaben den Vorwurf an Verantwortliche von Bund und Land weiter, die Kommunen unzureichend unterstützen würden. Auch Drüggen und Frick verlangten ein vernünftiges Betreuungskonzept, kurze Wege für die Asylbewerber und eine ständige Erreichbarkeit der Betreuer. Frick: „Wir stehen vor einem großen Dilemma, müssen jetzt reagieren.“
„Verliert bitte nicht die von uns nach wie bevorzugte dezentrale Unterbringung aus den Augen“, sagte Jürgen Cox (Grüne). Auch er lobte die Bemühungen der Verwaltung und das Engagement der Ehrenamtlichen. Die Grünen bevorzugen die Einstellung eines hauptberuflichen Inklusions- und Integrations-Beauftragten. Die Einstellung ist noch mit einem Sperrvermerk versehen. Dazu soll in der nächsten Ratssitzung eine Entscheidung fallen.
Von einer „menschenunwürdigen Unterbringung“ im Daihatsu-Gebäude sprach Michael Lambertz (UWT). Er, seine Parteikollegen Axel Brink und Peter Lambertz, Alina Leuchtenberg (SPD) und Herbert Derksen (GUT) lehnten im öffentlichen Teil die Anmietung des einstigen Daihatsu-Verwaltungstraktes ab. Derksen fragte noch nach, warum seit über 15 Jahren insgesamt rund 30 Mietwohnungen, so an Leipziger Straße, Rue de Sees und Ludwig-Jahn-Straße, leer stünden. Diese gehören offenbar einer Eigentümerin aus Geldern. „Wir sind bei den Verhandlungen zu keinem zufrieden stellenden Ergebnis gekommen“, sagte Goßen. Auf WZ-Nachfrage sagte er: „Die Wohnungen sind auch derzeit unbewohnbar.“