Tönisvorst RSV übt Radfahren mit Flüchtlingen
Der Radsportverein hat nach der Theorie die Praxis getestet und auf dem ehemaligen Daihatsu-Gelände einen Lehr-Parcours aufgebaut.
St. Tönis. „Listen, please!“ Jörg Niemeyer bittet die Umstehenden um Ruhe. Aziz übersetzt ins Arabische. Sofort hat Niemeyer wieder die volle Aufmerksamkeit der Gruppe, die sich um das aufgebockte Fahrrad gestellt hat.
„Regel Nummer eins: Das Rad muss in Ordnung sein“ — sicher, mit funktionierendem Licht und packenden Bremsen. Die Verkehrsregeln haben Niemeyer und seine Vorstandskollegen Reinhard Dittrich, Hans-Peter Hendrix und Johannes Jansen vom RSV Tönisvorst bereits im Januar mit 26 Männern, Frauen und sieben Kindern in der Flüchtlingsunterkunft an der Industriestraße theoretisch eingeübt. Überfahren von roten Ampeln, Radeln auf der falschen Straßenseite oder Mitnehmen von Beifahrern auf dem Gepäckträger — diese Fehler sollen abgestellt werden.
Nun folgt die Praxis im Sattel. „Rauf aufs Rad, rein in den Parcours“ ist die Devise. Niemeyer freut sich über gute äußere Bedingungen — „Gott sei Dank haben wir gutes Wetter“ — und darüber, dass sich mehr als 20 Interessenten für die praktische Fahrprüfung anstellen.
Aziz, der seit vier Jahren in Deutschland ist, in St. Tönis wohnt und als Ansprechpartner für alle Flüchtlinge jeden Werktag im ehemaligen Daihatsu-Haus vorbeischaut, glaubt, dass es an einem anderen Wochentag sogar noch mehr gewesen wären: „Freitags sind viele zum Gebet in der Moschee in Krefeld.“
Hans-Peter Hendrix führt die erste Gruppe an: Sie fahren über ein gerades gelbes Brett, müssen aber auch die Balance auf einer schrägen Ebene halten. Gar nicht so einfach.
Die Radfahrer quittieren das erfolgreiche Passieren der „Schikanen“ und das Umkurven der Slalomstangen und Pylonen mit breitem Lächeln, selbst wenn nicht alles sofort perfekt klappt.
Aziz feuert sie an. Reinhard Dittrich sieht mit Freude zu: „Die Leute sind hier und man muss mit ihnen auch etwas machen. Wir als Verein hoffen, dass wir künftig einige einbinden können.“ Geplant ist spätestens im Mai eine gemeinsame Radwanderfahrt mit den Flüchtlingen, „20 Kilometer rund um Vorst“, kündigt Johannes Jansen an.
Sport und Geselligkeit — das„tolle soziale Vereinsleben, das wir pflegen,“ schätzt Jörg Niemeyer sehr. Früher machte er auf dem Rennrad schnelle Kilometer, heute schließt er sich eher den gemütlicheren Radwanderern an.
Während die zweite Gruppe mit Hendrix den Parcours absolviert, kommt ein Mädchen hinzu, das noch nicht Rad fahren kann. Es schiebt erst einmal eines am Lenker über den Platz. Minuten später sitzt die junge Frau auf dem Sattel eines Jugendrads und fährt, gehalten von Aziz, ihre ersten Meter. Wenn sie mit dem RSV weiter übt, ist sie im Mai sicher dabei.