Schließung vor zehn Jahren Erinnerungen an das Katharinen-Hospital
Willich · In Willich ist es noch in gutem Gedächtnis, viele Bürger kamen im Katharinen-Hospital an der Bahnstraße zur Welt. Vor zehn Jahren musste das Krankenhaus schließen. 1872 war es eingeweiht worden.
Wer das Pech hatte, krank zu werden, war früher arm dran. Er war auf Bettruhe in den eigenen vier Wänden angewiesen, er griff zu Hausmitteln wie Kamillentee – bei Magenbeschwerden – oder Wadenwickel – bei Erkältungen. Eine Krankenkasse gab es noch nicht. Nur die wenigen wohlhabenden Bürger konnten sich leisten, den einzigen Arzt zu rufen, der im Ort praktizierte. In Willich ist der erste professionelle Mediziner – ein Dr. Gumnich – erst 1838 bezeugt. Als „Wundarzt“ nahm er auch einfachere chirurgische Eingriffe wie Amputationen vor.
Erst am 7. Oktober 1872 kommt es zu einem Einschnitt: Mit der Einweihung des „Catharinen-Hospitals“ an der Bahnstrasse beginnt auch in Willich die Geschichte der stationären Krankenversorgung. Das Krankenhaus wird hauptsächlich durch die fromme Spende der Jungfer Catharina Essers ermöglicht. Es trägt ihren Vornamen; seit der Jahrhundertwende aber mit „K“ am Anfang.
Dienen soll es vor allem als Altenheim und als Bewahranstalt für die Kinder berufstätiger oder verstorbener Eltern. Krankenpflege kommt erst an zweiter Stelle. Jahre hindurch weist das Haus unter der Leitung von Ordensschwestern, der „Armen Dienstmägde Jesu Christi“, nur 25 Pflegebedürftige oder Kranke auf. Dann bringen der Bevölkerungsanstieg und der wirtschaftliche Aufschwung eine ständige Überbelegung. So wird 1912/13 für 190000 Mark neben den alten Bau ein neuer gesetzt – für Kapelle, Klausur und Behandlungsräume. Während der Weltkriege leistete die Institution einen wertvollen Beitrag für die medizinische Versorgung der Not leidenden Bevölkerung.
Indes: Nach dem Zweiten Weltkrieg, ab 1948, zeigte sich schnell, dass die baulichen Verhältnisse den rasch wachsenden räumlichen und technischen Anforderungen der Zeit an ihre Krankenhäuser nicht mehr gerecht wurden. Am 1. Oktober 1963 wurde ein Krankenhaus-Neubau samt Personalwohnheim und Kapelle unter großer Anteilnahme der Bevölkerung in Betrieb genommen. Der Altbau von 1872 nebst dem Anbau von 1913 wurde 1971 abgerissen, an ihrer Stelle wurde dem Geist der Zeit folgend ein Parkplatz angelegt.
Das moderne, allen Anforderungen einer zeitgemäßen medizinischen Versorgung genügende Krankenhaus wurde zur Erfolgsgeschichte. Dies ganz besonders infolge des Engagements seines technischen, pflegerischen und ärztlichen Personals. Zur Mannschaft der ersten Stunde gehörte als Vertreter des Krankenhausträgers, der katholischen Kirchengemeinde St. Katharina Willich, Pfarrer Herbert Franzen; im Hause selbst wirkten als Verwaltungsleiter Hans Kothen, der diese verantwortungsvolle Position über 40 Jahre bekleidete, und sein Zwillingsbruder Karl Kothen als Technischer Leiter der Klinik.
Erster Chefarzt der Inneren Abteilung im neuen Haus wurde Dr. Helmut Lindhof. Die Leitung der Chirurgie übernahm Dr. Wolf-Dieter Hinrichs. Das Krankenhaus verfügte zudem über die Belegabteilungen HNO (Dr. Rüdiger Gering) und Gynäkologie/Geburtshilfe, geleitet von Dr. Bernhard Zimmermann. Zahlreiche Willicher haben das Licht der Welt im Katharinen-Hospital erblickt: Bis zu 500 Geburten wurden jährlich von Dr. Zimmermann betreut.
In den Jahren seines Bestehens wurde die bauliche, technische und apparative Ausstattung des Katharinen-Hospitals kontinuierlich den steigenden Anforderungen angepasst. Das Leistungsspektrum des Hauses veränderte sich mit den neu berufenen ärztlichen Leitungen. Unter dem Chirurgen Dr. Gerd-Uwe Neukamp wurde die minimal-invasive Chirurgie (die sogenannte Knopflochchirurgie) ausgebaut. Der Internist Dr. Walter Ormann, der die Chefarztposition in der Nachfolge von Dr. Lindhof über 23 Jahre inne hatte, machte die Endoskopie (Spiegelung innerer Organe) zu einem Schwerpunkt seiner Klinik.
2007 übergab die katholische Kirchengemeinde St. Katharina Willich das Krankenhaus an die St. Augustinus Gruppe aus Neuss, die zahlreiche Hospitäler in der Region betreibt. Unter ihrer Ägide wurde die Altersmedizin (Geriatrie) zu einem weiteren Klinik-Schwerpunkt. Das Willicher Katharinen-Hospital verfügte zuletzt über 140 Betten und 190 Mitarbeiter, die jährlich insgesamt rund 5000 stationär aufgenommene und rund 7000 ambulante Patienten versorgten.
Die Einführung des so genannten Fallpauschalensystems 2002 führte zu wirtschaftlichen Problemen des Krankenhauses. Bald sprach man allgemein nicht mehr vom Patienten, sondern vom „Kunden“. Überbordende Bürokratie und ein kaum zu kompensierender Personalmangel verschärften die Lage. Das Ende zeichnete sich ab.
Am 30. Juni 2014 wurde das Haus geschlossen und im November 2019 abgerissen. 53000 Willicher waren fortan ohne bürgernahe stationäre Versorgung. Bemerkenswert: Auch nach zehn Jahren treffen sich einmal jährlich bis zu 100 ehemalige Mitarbeiterinnen und Mitarbetier zu einem fröhlichen Beisammensein, tauschen sich über die aktuelle Situation im Gesundheitswesen aus und erinnern sich gerne der „guten alten Zeit“.