Sonny Boys trotzen Regen
Trotz schlechten Wetters zeigt das Festspiel-Ensemble bei der zweiten Abendpremiere eine tolle Leistung.
Neersen. Eine grandiose Leistung. Wie die Schauspieler bei der Premiere von „Sonny Boys“ am Samstag so tun, als regnete es nicht. Bis fast 23 Uhr wischen sie immer wieder souverän die Pfützen von ihren Stühlen, bevor sie sich setzen, tun so, als gehöre das zur Inszenierung — für die Intendantin Astrid Jacob verantwortlich zeichnet — und ignorieren die Kostüme, die ihnen nass auf dem Leib hängen. Dabei steht der Regen dem berühmten Salzburger Schnürlregen in keiner Weise nach — Bindfäden! Über die gesamte Länge des Stückes!
Was an einer Stelle für spontane Komik sorgt: Als R. A. Güther als Komiker Willie Clark einem von seiner Agentin und Nichte in den Mund gelegten Wunsch widersprechen will und sagt: „Es wäre schöner, wenn es regnete!“ Da kann sich „Nichte“ Christina-Bettina Pfannkuch nicht mehr halten, prustet laut los — und Güther baut in seine Rolle ein, dass diese Worte wirklich im Text stehen.
Das ganze Ensemble spielt mit Hingabe, allen voran Güther als Willie Clark und Josef Tratnik als sein ehemaliger Partner Al Lewis. Doch auch Christina-Bettina Pfannkuch (Agentin), Markus Rührer (Regieassistent), Verena Held (Doppelrolle als Sexbombe und Blaustrumpf) sowie Holger Stolz, der als „Nummernboy“ besonders viel Applaus bekommt, sind mit voller Konzentration dabei. Die Hälfte der Zuschauer kapituliert gleichwohl in der Pause vor den Wassermassen — von der anderen Hälfte bekommen die Akteure einen begeisterten Schlussapplaus.
Das Stück um die beiden Komiker ist dabei oftmals gar nicht lustig. 43 Jahre lang haben sie als Duo die Menschen zum Lachen gebracht, aber sie haben es nie geschafft, sich menschlich näher zu kommen. Nach ihrem Bruch elf Jahre zuvor, verhindern mangelndes Kommunikationsvermögen und gekränkte Eitelkeit, dass sie für einen einzigen gemeinsamen Auftritt wieder zusammen finden.
Nur dieses eine Mal müssten sie sich zusammenreißen, um ihren Ruhm und ihre Leistung noch einmal voll auszukosten, um im Alter zu ernten, wofür sie ihr Leben lang hat gearbeitet haben, um ihre Namen unsterblich zu machen. Doch diese einzige Chance, die sich den alten Männern noch bietet, bleibt ungenutzt.
Zu sehen, wie sie lieber ihren zunehmenden Starrsinn pflegen, ist nicht lustig, trotz Situationskomik, Revue- und Slapstick-Elementen. Es offenbart sich eine Tragik, die an die eines Stückes des Kalibers „Wer hat Angst vor Virgina Wolf“ von Edward Albee heranreicht. In der Tat kennt man solches Verhalten meist von alten Ehepaaren. Dass Willie und Al scheinbar getrennte Wege gehen, macht ihre Sache nicht erträglicher.
R. A. Güther zeigt eindrucksvoll, dass er in seinem schäbigen Hotelzimmer (Ausstattung: Silke von Patay) an nichts anderes denkt als an sein früheres Leben, an den Ruhm, die Erfolge, die Kollegen.
Der Ruhm aber war bedingt durch die Zusammenarbeit mit dem Menschen, von dem er sich immer verletzt und unverstanden fühlte. Und auch die Aussicht am Ende des Stückes, dass die beiden sich im Altersheim für Schauspieler wieder treffen werden, ist kein Happy End. Es zeigt nur die Tragik solcher Verbindungen.