Namibia Spuren deutscher Geschichte

In Windhuk wurde Tönisvorsts Bürgermeister Goßen von einem Einheimischen mit DDR-Vergangenheit angesprochen.

Foto: privat/WZ-Archiv

Tönisvorst/Windhuk. Da war er über 11 500 Kilometer weit weg von Zuhause und wurde doch von einem Stück deutscher Vergangenheit eingeholt: Als sich der Tönisvorster Bürgermeister Thomas Goßen in seinem Urlaub in der namibischen Hauptstadt Windhuk aufhielt, wurde er angesprochen. Auf Deutsch, offenkundig von einem Einheimischen. Der eine ganz spezielle deutsche Vergangenheit hat.

Foto: privat/WZ-Archiv

„Der Mann war um die 40 Jahre alt, er sprach hervorragend Deutsch“, erzählt Großen. Er erfuhr eine Episode aus der DDR-Geschichte, von der er noch nie gehört hatte. „Er gehörte zu einer Gruppe von etwa 400 Kindern, die 1979 von der Unabhängigkeitsbewegung Swapo in die DDR geschickt wurde“, so der Bürgermeister. Quasi von Bruderstaat zu Bruderstaat.

Der Mann, der sich nicht fotografieren lassen wollte, erzählte ihm aus seiner Vita. In einem ehemaligen Jagdschloss waren er und die anderen Kinder untergebracht. In einer Art Kaderschmiede sollte hier die künfitge sozialistische Elite heranwachsen. „Die Menschen in der DDR bekamen die Kinder überhaupt nicht zu sehen“, schildert Goßen. Er hat sich inzwischen schlau gemacht und die Geschichte dieser Kinder recherchiert. Die Jüngeren seien noch als Kinder nach Deutschland gekommen. Die Sprache, die sie sprachen, war nach einigen Jahren nur noch Deutsch. Was schwere Auswirkungen hatte.

1989 kam die Wende in Deutschland, die Mauer fiel. Monate später war auch in Namibia der Sozialismus ad acta gelegt. Was für die namibischen Kinder in dem ehemaligen Jagdschloss bedeutete: Sie wurden zurückgeschickt. Noch von der letzten DDR-Regierung unter Lothar de Maizière. Die Folgen waren drastisch.

„Da kamen diese jungen Menschen nun in ein Land, dessen Kultur sie nicht kannten und dessen Sprache viele von ihnen auch nicht mehr sprachen“, schildert Thomas Goßen. Das habe ihm der Mann auf der Straße in Windhuk eindrucksvoll geschildert. Weil Namibia keine sozialistische Elite mehr brauchte, waren die jungen Menschen auf sich alleine gestellt. Bei manchen ließ sich Verwandtschaft auftreiben, andere mussten zusehen, wie sie klarkamen. Von ehemals willkommenen Staatsgästen, die regelmäßig von Margot Honecker besucht wurden, hin zu Menschen, von denen niemand etwas wissen wollte. „Offiziell hieß es wohl, die namibische Seite habe darauf bestanden, dass die Jugendlichen zurückkamen. In Wirklichkeit wollte man sie einfach schnell loswerden“, sagt Goßen.

So schnell das Treffen sich angebahnt hatte, so schnell war es auch wieder vorbei. Nicht aber die Begegnung mit dem deutschen Erbe in Namibia. „Plötzlich haben sie es zu tun mit einem Lehrer an einer deutschen Schule, der Spenden sammelt, um eine Reise nach Deutschland zu organisieren“, erzählt Goßen. Frage man die Afrikaner dann, was sie in Deutschland sehen wollten, werden immer zwei Ziele genannt: Das Daimler-Benz-Museum in Stuttgart und die Allianz-Arena in München. Gleichzeitig erfahre man aber auch hautnah, wie hoch die Hürden für einen Deutschland-Besuch sind und wie schwierig es ist, an ein Touristen-Visum zu kommen.

Auf der anderen Seite war die ganze Familie Goßen begeister von dem Land. „Natürlich haben wir das touristische Programm absolviert: Nashörner auf dem Weg und Elefanten mitten auf der Straße“, so der Bürgermeister über den Besuch im Etosha-Natrionalpark. Aber das ist eine andere, ganz eigene Geschichte.