St. Tönis: Ein Auftritt gegen die Verblödung

Forum: Dieter Hildebrandt, Meister des politischen Kabaretts, brilliert in St.Tönis.

St. Tönis. Die Menschen knien zwar nicht nieder, aber immerhin gibt es stehende Ovationen für Dieter Hildebrandt. Am Freitag präsentiert er sich im Forum Corneliusfeld wieder als Gottvater des politischen Kabaretts in Deutschland. Denn er liest nicht nur aus seinem Buch "Nie wieder 80", in dem er zeitlose Weisheiten zum Thema Altern und Wandel der Zeiten in seiner speziellen Art und Weise aufbereitet. Er beglückt sein Publikum erst mit einer Stunde tagesaktuellem politischem Kabarett.

Und das ist so geistreich, so fein, so geschliffen, so drastisch, so unterhaltsam und erheiternd, dass man vor Ehrfurcht in die Knie sinken möchte. Es erscheint einem eher wie ein Wunder, dass er noch nicht müde ist, alles mit seinem scharfen, unbestechlichen Blick zu betrachten. Das, was er sieht, ist auch nicht netter als das zu Anfang seiner mehr als 50 Jahre währenden Bühnenkarriere.

Und dass er sich noch die Mühe macht und die täglichen Desaster um Banken, Parteien und die Pius-Bruderschaft geistreich und amüsant aufbereitet. Wie ein roter Faden ziehen sich Begrifflichkeiten wie "weg vom Fenster" und "Quereinsteiger" durch den Abend. Er erzählt von den Politikern, die Quereinsteiger fordern, um dem Lehrermangel zu begegnen. Später taucht es wieder auf, diesmal bei Altenpflegern. Zwischendurch spekuliert Hildebrandt, was passieren würde, wenn man Banker zu Lehrern machen würde. Schließlich, als er an den Prozess gegen die Kassiererin erinnert, die zwei liegen gebliebene Pfandbons zu ihrem Gunsten einlöst, äußert er den Verdacht, dass sie auch unter den Richtern Quereinsteiger hätten.

Hildebrandt scheint beglückt. Dass das Forum Corneliusfeld voll besetzt ist und das klassische politische Kabarett, für das er wie kein anderer steht, noch lange nicht tot ist. Dass er Lacher erntet, wenn er davon erzählt, dass Jesus von Pontius Pilatus gefragt wird, ob er der Sohn Gottes sei und antwortet: "Nageln sie mich jetzt nicht fest". Denn er fürchtet: "Bald weiß niemand mehr, wer Pontius Pilatus war."

Und das wäre wirklich der Tod seiner Art von Kabarett, für das Hildebrandt ein gut informiertes Publikum braucht. Bis der "V-Effekt" - V für Verblödung - so weit gediehen ist, wird er wohl weiter machen.