Lesetipp aus Tönisvorst Zwischen absurd und anrührend: Die Geschichte über eine schmerzhafte Trennung

Tönisvorst · Carmen Alonso, Leiterin der Bibliothek in Tönisvorst, stellt Bücher vor, die sie zur Lektüre empfiehlt. Diesmal: „Am Ende ist es ein Anfang“ von Dolly Alderton.

 Carmen Alonso ist die Leiterin der Stadtbibliothek Tönisvorst.

Carmen Alonso ist die Leiterin der Stadtbibliothek Tönisvorst.

Foto: Marc Schütz

Alles fein! Dachte zumindest Andy über seine langjährige Beziehung zu Jen. Umso fassungsloser ist er, als seine Freundin ihn nach einer gemeinsamen Parisreise verlässt. Er ist tief getroffen, sein Leben scheint auf den Kopf gestellt: Die gemeinsame Londoner Wohnung wird gekündigt, das Bankkonto ebenso. Vorerst kommt Andy bei seiner Mutter unter und quält sich mit einem einzigen Gedanken: Warum hat Jen mich verlassen?! Er findet Unterschlupf bei seinem besten Freund und dessen Familie, aber auch dort findet der Untröstliche keine Ruhe. Obwohl seine Kumpels versuchen, ihn mit einer ausufernden Kneipentour aufzumuntern, ist alles nicht mehr wie in jenen turbulenten Jungs-Jahren: Die anderen sind alle Vater geworden und in Gedanken eher bei ihren familiären Pflichten als bei dem sie bald nervenden Andy. Der fühlt sich in allem unablässig an Jen erinnert und versucht trotzig, sie zu vergessen. So kauft er den Vorrat ihres Lieblingsparfums auf und schmeißt die Flaschen in den Kanal. Vier potenzielle Gelegenheiten weniger, sie zu riechen und sich zu erinnern! Es ist aber auch zu schmerzhaft: Nie wieder ein Geburtstagsgeschenk für sie kaufen, nie wieder überlegen, was er ihr beim Lieferdienst bestellen könnte, nie wieder ihre Augenlieder küssen.

Und auch in seinem Job läuft es nicht gut, denn wer will schon einen trübsal blasenden Comedian sehen? Andy fühlt sich von allen verlassen, und selbst seine Agentin meldet sich nicht zurück, geht aber mit anderen Künstlern essen. Höhepunkt ist eines Tages die vernichtende Kritik in einem bekannten Online-Kulturmagazin: Man fordert die Leser auf, sich vorzustellen, der schlimmste Geographielehrer der Schule und eine Fleischpastete, deren Mindesthaltbarkeitsdatum lange abgelaufen ist, hätten einen Sohn, zögen ihm karierte Flanellhemden an – schon bekomme man eine Ahnung, wie man sich den „Comedian,“ bekannt als Andy Dawson, vorzustellen habe.

Einerseits leidet man mit Andy; andererseits möchte man ihn schütteln und sein Smartphone in die Themse werfen, damit er endlich aufhören möge, Jen auf sämtlichen Social-Media-Kanälen hinterherzuspionieren. Apropos Jen: Im letzten Kapitel erzählt die junge Frau überraschend ihre Version der Geschichte, und es beschleicht einen das Gefühl, dass Andy vielleicht nicht nur der verträumte, selbstlose Künstler-Typ ist.

Dieses sehr unterhaltsame Buch ist in einem wehmütigen und zugleich witzigen Ton geschrieben, voll britischem Humor: zum Beispiel die Einblicke in die Comedy-Szene, in der es die Platzhirsche gibt und die Programm-Lückenfüller und in der die unausgesprochene Regel gilt, nach einem missglückten Auftritt zu verschwinden, bevor der betreffende Künstler wieder hinter die Bühne kommt, um ihn nicht mit falschen Komplimenten noch mehr zu beschämen; oder wenn sein verschrobener Vermieter Morris seine Zeit verbringt mit verschwörerischen Schreiben an Julian Assange, dem Gründer der Enthüllungsplattform WikiLeaks; oder – eiserner Beatles-Fan! – an English Heritage, einer eingetragenen Wohltätigkeitsorganisation, welche die in Staatsbesitz befindlichen Denkmäler Englands verwaltet: Diese möge langsam mal eine Plakette an Morris‘ Haus anbringen – George Harrison habe hier 1963 schließlich eine Nacht auf dem Sofa verbracht!