Lesetipp aus Tönisvorst Ein Reisebuch der besonderen Art

Tönisvorst · Carmen Alonso, Leiterin der Bibliothek in Tönisvorst, stellt Bücher vor, die sie zur Lektüre empfiehlt. Diesmal: „Die Reisgöttin - und andere Mitbringsel“ von Doris Dörrie.

 Carmen Alonso leitet die Stadtbibliothek Tönisvorst.

Carmen Alonso leitet die Stadtbibliothek Tönisvorst.

Foto: Marc Schütz

Es müssen nicht immer dickleibige Schmöker sein, manchmal bietet auch ein schmaler Band großen Lesegenuss. So wie dieses Buch von Doris Dörrie. Erscheint die bekannte Regisseurin in Interviews oft spröde und blasiert, sind ihre Bücher voller Humor und Lebenserfahrung. In ihrem aktuellen Werk sind 47 Kolumnen gesammelt, welche die Autorin in den Jahren 2017 bis 2020 für „Die Zeit“ verfasst hat, plus drei Erstveröffentlichungen. Es handelt sich um knappe 40-Zeiler, in denen sie sehr originell anhand der Beschreibung von Reise-Mitbringseln über ihre Besuche in aller Welt erzählt. Denn Doris Dörrie kann einfach der Versuchung nicht widerstehen, ein Andenken in den Koffer zu packen. So lernte ich „Umeboshi“ kennen, eine in Salzlake eingelegte aprikosenartige Frucht. Der Geschmack scheint unvergleichbar zu sein, voller salziger Sauerkeit oder saurer Salzigkeit, und dieser Gaumenkitzel wirkt wie eine kalte Dusche oder ein „liebevoller Tritt in den Hintern“.

In Mexiko verfällt die Autorin der „lucha libre“, dem Wrestling. Die Sportler tragen fantasievolle Masken und Kostüme und spielen bestimmte Charaktere, das Gute kämpft gegen das Böse. Das Publikum trägt bei den Kämpfen die Maske seines Lieblings und schreit sich die Kehle wund. Natürlich kann auch Doris Dörrie nicht widerstehen und ersteht ein Masken-Exemplar. In New York verliebt sie sich in ein Paar Boxerstiefel, die sie in einem obskuren Sportgeschäft entdeckt; die finsteren Jungs im Laden beäugen sie zwar skeptisch, sie aber muss diese Schuhe einfach haben. Eingeladen zu einem Filmfestival im Iran, ist sie fasziniert von den selbstbewussten Frauen und zugleich fassungslos ob der zensierten und sinnentleerten Aufführung ihres Films. Mit dem Gefühl, ihr Schädel würde vor lauter Eindrücken fast platzen, kauft sie in einem Geschäft für medizinische Lehrbücher spontan das plastische Modell eines menschlichen Gehirns. Lauter vergnügliche Erfahrungen mit sehr bitteren Untertönen.

Farbige Abbildungen stimmen auf den folgenden Text ein, und die kleinen, teils schrägen Objekte machen neugierig und lassen schmunzeln; so wie der in Vorfreude aus alten weißen Frotteehandtüchern genähte Schwan für ihre ungeborene Tochter: Der bringt das Kind schon beim ersten Anblick zum Weinen.

Doris Dörrie erzählt diese Reiseanekdoten auf eine unaufgeregte, unterhaltsame Weise und wirkt als Weitgereiste doch nie belehrend oder angeberisch. Im Plauderton beschreibt sie dem Leser besondere Momente, nimmt sich dabei selber nicht zu ernst und gesteht auch die ein oder andere „spektakuläre Dummheit“. Ihr Motto: Genieße den Moment, freue dich an Kleinigkeiten, entdecke das Besondere in scheinbar Unscheinbarem.