„Der schlimmste weibliche Fehler ist der Mangel an Größenwahn“ Literarisch-musikalisch durch 100 Jahre Frauengeschichte

Tönisvorst · Jutta Seifert spielte in ihrer Einpersonenrevue singend, spielend und rezitierend mit den weiblichen Klischees von der Diva, dem Vamp bis zur braven Hausfrau.

Jutta Seifert spielte in ihrer Einpersonenrevue mit den weiblichen Klischees von der Diva, dem Vamp bis zur braven Hausfrau.

Foto: Norbert Prümen

(b-r) Von der Frau im Charlestonkleid über die im Petticoat bis zur Hippie-Aufmachung und dem Erscheinungsbild einer modernen Frau: Die Schauspielerin Jutta Seifert hat am Dienstagabend im Forum Corneliusfeld etwa 50 Frauen und einige wenige Männer auf eine unterhaltsame und abwechslungsreiche Reise durch die vergangenen gut 100 Jahre der Welt der Frauen mitgenommen. Und das im Schnelldurchgang von 70 Minuten.

Mit dabei ein Werbeslogan von AEG aus den 1950er-Jahren: „Erhalt das Glück in deiner Eh‘ durch ein Gerät von AEG.“ Sowie ein Satz der Autorin Irmtraud Morgner aus den 1980ern: „Der schlimmste weibliche Fehler ist der Mangel an Größenwahn“.

Jutta Seifert begann ein wenig früher mit ihrer Betrachtung darüber, wie sich die Rolle der Frau entwickelt hatte: mit einer leicht abgewandelten Schöpfungsgeschichte. Gott hatte den Mann erschaffen, sah, dass es gut war, aber verfluchte sich einen Tag später, weil er die Frau vergessen hatte. So erfand er das Paar, und „das Elend und die Schönheit begann“.

Die „literarisch-musikalische Revue“ mit dem Titel „Angebissen“ war eine Gemeinschaftsveranstaltung der Gleichstellungsbeauftragten der Stadt Tönisvorst, Helga Nauen, Carmen Alonso von der Stadtbücherei Tönisvorst und der Kreisvolkshochschule.

Eine Generation nach den Frauen, die sich von ihren Korsetts befreit hatten, betätigten sie sich als Trümmerfrauen, tanzten im Petticoat Rock ’n’ Roll und bewegten sich durch die Zeitgeschichte, die ihnen sehr langsam, Schritt für Schritt, mehr Rechte einräumte. Aber eine gute Hausfrau und makellose Gattin musste Frau auch noch in den 1970ern sein. Das konnte sie in der Frauenzeitschrift „Brigitte“ nachlesen. Sätze wie „Machen Sie sich interessant für ihn. Hören Sie ihm zu: Seine Themen sind wichtiger als ihre. Halten Sie den Haushalt tadellos in Ordnung“, lassen erschaudern.

Und die studierten Frauen der „Generation P“ mit P wie Praktikum müssen schließlich einsehen, dass ihre Karriere bald an ein männerdominiertes Ende kommt. Jutta Seifert spielte in ihrer Einpersonenrevue singend, spielend und rezitierend mit den weiblichen Klischees von der Diva, dem Vamp bis zur braven Hausfrau.

Der Titel der Revue, „Angebissen“, bezog sich auf einen Apfel, in den Jutta Seifert am Ende der Revue „kraftvoll hineinbeißen“ wollte. Ihm fehlte eine kleine Schnitze: 18 Prozent seien es, sagte Seifert. Das entspreche genau dem „Gender Pay Gap“, die Lohnlücke in der Bezahlung zwischen Mann und Frau. Als sie mit ihrem Programm begonnen habe herumzureisen, seien es noch 23 Prozent gewesen, so Seifert. Mit leiser Ironie drückte sie die Hoffnung aus, dass zukünftige Generationen von Frauen einmal den gleichen Lohn wie die Männer erhalten würden.

(b-r)