Anwohnergemeinschaft Martinszug auf der Tannenstraße: Beispiel guter Nachbarschaft
St. Tönis. · St. Martin zu Pferde, ein Bettler, eine Mantelteilung – der kleine, aber feine Zug der Nachbarschaft in St. Tönis hat alles, was es braucht.
In der Tannenstraße zieht St. Martin auf dem Steckenpferd vorbei. Schwert und Helm sind Kinderspielzeug, der Mantel ist geliehen. In dem St. Töniser Wendehammer dauert der Laternenumzug mit Martinsszene meist nur eine gute Viertelstunde, aber bei den Darstellern muss der Text zur Mantelteilung sitzen. „Es ist schon ein gewisser Ernst dabei“, sagt Nadine Hoymann (38). Wer sich verhaspelt, muss im nächsten Jahr nochmal ran.
Die Anwohner der Tannenstraße verbindet eine enge Gemeinschaft. Sommertage verbringen die meisten hauptsächlich im Vorgarten. Die Kinder spielen auf der Straße, die Erwachsenen quatschen. Fehlt jemandem eine Zitrone oder ein Ei oder der Rasenmäher geht nicht, helfen die anderen aus. Nadine Hoymanns Mann Martin hat gar seinen 40. Geburtstag vor der Haustür gefeiert. Auch nach dem Schülerumzug zu St. Martin im Ortskern haben sich die Nachbarn getroffen und noch ein bisschen gefeiert – bis irgendwann die Idee entstand: Das machen wir auch.
Die Anwohner organisierten also einen eigenen Martinszug. 2013 war das, Thomas Dombrowski spielte damals den Bettler. „Ich hatte einen Kartoffelsack an und einen Hut auf“, erinnert sich der 56-Jährige und lacht.
Am Ablauf hat sich seitdem nichts geändert: St. Martin auf dem Steckenpferd zieht an den Häusern mit ihren geschmückten Fenstern vorbei, die anderen schwenken ihre Laternen und singen. Die Musik dazu kommt aus einem kleinen Lautsprecher. Dann teilt der Martinsdarsteller mit dem Bettler seinen Mantel – danach wird in einer Garage mit Glühwein, Suppe, Püfferkes und Weckmann weiter gefeiert, jeder Nachbar bringt etwas mit.
Die Nachbarn wollen nicht mit dem großen Zug konkurrieren
Die Besetzung wechselt jährlich – außer eben, jemand verspricht sich. Dann muss er die Rolle nochmal übernehmen, berichtet Martin Hoymann (41) und grinst. Er betont: „Es ist keine Konkurrenzveranstaltung zum richtigen Martinsumzug.“ Dombrowski ergänzt: „Es soll auch alles so klein bleiben.“
An der Tannenstraße stehen 14 Häuser. Wenn Dombrowski und die Hoymanns überschlagen, kommen sie auf 26 Erwachsene und sechs Kinder. Die ältesten Anwohner sind Anfang 80, einige wohnen seit gut 50 Jahren am Wendehammer, andere sind erst vor wenigen Jahren hinzugekommen.
Warum funktioniert die Gemeinschaft so gut? „Es passt einfach“, sagt Dombrowski. „Es ist unverbindlich“, sagt Nadine Hoymann. Martin Hoymann ergänzt: „Jeder, der Lust hat, macht mit, und ist man nicht dabei, ist auch keiner sauer.“
Die Anwohner haben ihre Fenster bereits wieder bunt geschmückt. Für den Umzug haben sie sich eine Besonderheit ausgedacht: ihr Straßenzug als Laterne, die auf dem Bollerwagen mitfährt. emy