Tagebuch eines britischen Soldaten: Ein Mord und ein Kinder-Dankeschön

Beim Sichten eines Nachlasses wurde das Tagebuch eines britischen Soldaten gefunden. Der erinnerte sich an seine Zeit in Neersen.

Foto: Stadt Willich

Willich. Ungewöhnliche Post hat Willichs Bürgermeister Josef Heyes per E-Mail aus England bekommen: David Heap war bei der Durchsicht des Nachlasses seines Vaters auf dessen Erinnerungen gestoßen, in denen er auch Episoden aus den Jahren 1945/1946 beschreibt. Genau zu dieser Zeit diente er als Offizier einer britischen Brigade — im Hauptquartier im Schloss Neersen.

„Zwei Ereignisse jener Zeit scheinen Heap so beeindruckt zu haben, dass er sich auch noch viele Jahre später gut daran erinnern konnte“, sagt Willichs Stadtarchivar Udo Holzenthal nach Sichtung der Unterlagen. Da war zum einen der Mord an einen Landwirt, der von sogenannten ,displaced persons’ erschossen wurde. „Bei diesen „displaced persons“, erläutert Holzenthal, handelte es sich um bei Kriegsende freigekommene Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter, deren Rückführung in ihre osteuropäischen Heimatländer sich verzögerte oder sogar unmöglich war.

In den Erinnerungen von Heap heißt es: „Als diensthabender Offizier wurde ich zu einem kleinen Bauernhof am Ortsrand gerufen. Zwei Männer waren dort aufgetaucht und wurden von der Bäuerin empfangen. Sie fragten nach einem Schluck Wasser. Sie hatte ihre kleine Tochter bei sich und sagte ihnen, sie sollten sich an ihren Mann wenden, der gerade im Kuhstall melken war. Einer der Männer begab sich daraufhin in den Kuhstall. Was dort gesprochen wurde, ist nicht bekannt. Dann fiel ein Schuss. Ich kam kurz darauf zu dem Hof und fand den Bauern im Stall tot unter der Kuh liegend, die er zuvor gemolken hatte. Wenig später traf auch die deutsche Polizei ein, aber die beiden Männer waren über alle Berge. Es gab nichts, was ich tun konnte. Opfer in Kriegszeiten sind schlimm genug, aber das so etwas in Friedenszeiten geschehen musste, ist schlimm.“

Bei dem zweiten Ereignis handelte es sich um eine Weihnachtsfeier für Neersener Kinder, die Captain Heap 1945 gemeinsam mit seinen Kameraden organisierte. Hierzu schreibt er: „Die Armee hatte kurz nach der Kapitulation Instruktionen erlassen, die Verbrüderungen mit der deutschen Bevölkerung untersagten. Beziehungen durften nicht über den dienstlichen Zweck hinausgehen.“ Heap sah aber nicht ein, dass diese Regelung auch an Weihnachten für deutsche Kinder gelten sollte. Mit dem Einverständnis seiner Männer organisierte er eine Feier. „Dabei waren uns vor allem kleine Geschenke und Leckereien für die Kinder wichtig. Den Rest erledigten die Mitarbeiter der Volksschule.“ Natürlich seien die Leckereien erfreut angenommen worden. „Es war eine schöne Feier. Die Kinder sangen und tanzten, hielten sich an den Händen.“

In den Unterlagen seines Vaters fand David Heap ein Dankesschreiben, unterzeichnet von den Kindern der Neersener Volksschule und Rektor Josef Herlitz. „Diese Weihnachtsfeier kann als Ausgangspunkt des guten, freundschaftlichen Verhältnisses der britischen Rheinarmee zur deutschen Zivilbevölkerung im heutigen Stadtgebiet gesehen werden“, sagt Stadtarchivar Holzenthal. Red