Buch-Tipp der Stadtbücherei Tönisvorst Rosen, Totenköpfe, Elvis und vier schräge Typen

Tönisvorst · Der Tag fängt für Hänk – Typ Haribo, Bier, Death Metal – schon gut an: Er entdeckt im Badezimmerspiegel seine ersten grauen Barthaare, die Lavendel-Seife müffelt, die Toilettenspülung müsste auch mal repariert werden.

Carmen Alonso, die Leiterin der Stadtbibliothek Tönisvorst, gibt Literatur-Tipps.

Foto: Marc Schütz

Missmutig macht er sich auf zur Arbeit im „No Regrets Tattoo Shop“. Vor 20 Jahren hat er diesen Laden mit seinem Kumpel Muddy eröffnet, und damals gehörten sie zu den ersten auf diesem Gebiet, lässig und mit entsprechend cooler Kundschaft. Mittlerweile kann aber offenbar jeder Banause solch ein Studio eröffnen, und auch die Kunden werden immer mäkeliger und einfallsloser. Es muss irgendwie eine Zeitenwende stattgefunden haben.

Als zudem die Bewertungen im Netz immer schlechter werden und neue Kundschaft ausbleibt, muss langsam ein Plan her: Es wird eine junge Kollegin eingestellt, die einen Platz im Laden bucht, mit eigener Kundschaft und eigenen Aufträgen. Hänk geht sie ganz schön auf die Nerven, sogar ihr spanischer Vorname Luz (das Licht) passt ihm nicht, er nennt sie kurzerhand Lutz.

Die beiden werden nicht warm miteinander. Er ist irritiert: Ihre neumodische, leise Tätowier-Maschine, die ist ja wie eine extrem lahme Achterbahnfahrt; ihre nervtötende Pop-Musik, die den Laden entweiht. Sie ihrerseits reagiert abwehrend mit einem „In deinem Essen war Strychnin“-Lächeln. Zum Personal gehört noch Rudi, der jene kleinen Arbeiten übernimmt, auf die die anderen keine Lust haben und der spezialisiert ist auf Letterings, also schwungvolle Schriftzüge.

Man taucht mit ein in den Alltag der einzelnen Figuren und amüsiert sich über die verschiedenen Kunden; da wäre etwa Jochen, ein Möchtegern-Weltenbummler, der sich beim Griechen die Vokabeln auf der Serviette ansieht und sich damit schon bereit fühlt für eine Studienreise nach Naxos. Oder die Influencerin, die samt übergriffiger Entourage in den Laden einfällt und für Ärger sorgt.

Da ist aber auch die berührende Geschichte vom uralten „Büdchen-Heinrich“, den Hänk eigentlich nur aus dem nahegelegen Kiosk kennt und der sich eines Tages in den Laden traut: Er möchte jene gewisse Häftlingsnummer auf seinem Unterarm übermalen lassen, die er ein Leben lang verschämt vor fremden Blicken versteckt hat.

Luz und Rudi, die Neuen und Jüngsten im Laden, freunden sich langsam an, und es wird klar, dass beide eine geheime seelische Last mit sich herumschleppen. Luz versucht vorsichtig, Neuerungen einzubringen, und schlägt etwa einen Walk-in-Day vor, eine Art Schnuppertag. Plötzlich werden alle aktiv und bereiten sich auf ihre Weise vor: Muddy lässt sich endlich seine Zahnruinen richten, Rudi geht nach Jahren erstmalig wieder zum Friseur. Als sich das Team aber zum Abschluss dieser erfolgreichen Werbeaktion abends ausgelassen in der Stammkneipe trifft, kommt es zu einer unerwarteten Katastrophe, die alle herausfordert.

Der Erzählstil dieser Geschichte irgendwo im Ruhrgebiet ist schnell, dem Milieu entsprechend manchmal etwas derb, aber immer sehr witzig und originell. Man möchte unbedingt erfahren, wie sich das Leben der vier schrägen Außenseiter entwickeln wird und ob diese so unterschiedlichen Charaktere nicht doch zusammenfinden können.

Autorin Dietlind Falk (Jahrgang 1985) arbeitet als freie Übersetzerin aus dem Englischen und Französischen und liebt die Arbeit mit Sprache, egal ob Familiensaga, Krimi, Sexy Romance oder Fachbuch. Sie spielt in einer Punk-Band und lebt in Düsseldorf.