Vorst: Gesundheit ist Menschenrecht

Seit 21 Jahren hilft Karla Schefter kranken Menschen in Afghanistan.

Vorst. Eigentlich hatte sie geplant, für ein Jahr in Afghanistan zu bleiben - daraus sind 21 geworden, und ein Ende ist nicht in Sicht. Die gelernte OP-Schwester Karla Schefter war 1989 als Teil eines Erste-Hilfe-Teams in das Land gereist, um Verwundete aus dem damals wütenden Bürgerkrieg zu versorgen. Doch aus dem kleinen Hilfsprojekt ist ein Krankenhaus entstanden, in dem inzwischen jährlich 86000 Menschen behandelt werden.

"Die Zustände waren einfach unerträglich", erzählte sie am Dienstag während eines Vortrags bei action medeor in Vorst. "Wir haben ohne Strom beim Licht einer Taschenlampe operiert - viele Menschen sind einfach verblutet", sagt sie. "Ein Krankenhaus musste her." Schefters Wille zu helfen war riesig, die Klinik wurde ohne Einsatz von Maschinen gebaut.

Und die Umstände blieben widrig: Nicht nur, dass Afghanistan in den letzten 30 Jahren nie zur Ruhe gekommen ist - fünf Regimewechsel hat Schefter dort erlebt. Hinzu kommt, dass das Hospital Chak-e-Wardak 65 Kilometer von Kabul entfernt komplett auf Spenden angewiesen ist.

"Unser Krankenhaus deckt ein Gebiet ab, in dem rund 400 000 Menschen leben", sagt Schefter. 75 Prozent der Patienten seien Frauen und Kinder, die den Weg nach Kabul im akuten Notfall nicht zurücklegen könnten. Zudem werde das Gesundheitssystem immer schlechter, und viele könnten sich die Behandlung in normalen Kliniken nicht leisten. "Die Lebenserwartung liegt in Afghanistan durchschnittlich bei gerade mal 43 Jahren", sagt Schefter. Im ganzen Land gebe es nicht eine einzige Station für Herzchirurgie.

Wer schwer erkrankt, müsse zur Behandlung entweder für viel Geld nach Pakistan oder Indien reisen oder den Tod in Kauf nehmen. "Doch das Recht auf Leben und Gesundheit ist das wichtigste Menschenrecht", sagt sie und kämpft deshalb mit unglaublichem Elan für die bestmögliche Versorgung der Menschen.

Dabei bringt sie sich immer wieder auch selbst in Gefahr: "Momentan ist das Risiko sehr groß, Opfer von Kidnappern zu werden", erzählt sie. Deshalb sei sie schon länger nicht mehr in der Klinik gewesen und regelt die Logistik hauptsächlich von Kabul aus. Ob sie auch mal am liebsten alles hingeworfen hätte? "Ja, schon oft", sagt Schefter. Doch man merkt ihr an, dass sie ihr Lebenswerk wohl so schnell nicht loslassen wird.

Nach Deutschland kommt sie trotzdem immer wieder gern zurück, in Dortmund hat sie eine kleine Wohnung. "Dort empfinde ich wirklichen Frieden und komme zur Ruhe", sagt sie. Die paar Monate jährlich in der Heimat seien ihr enorm wichtig: "Hier tanke ich Kultur auf. Dann höre ich viel Musik und gehe ins Kino." Bis zum nächsten Einsatz für die Menschen in Afghanistan.