Städtischer Haushalt 2020 Willicher Firmen zahlen weniger Steuern

Willich. · Gegen die Stimmen von SPD und FDP hat der Rat den städtischen Haushalt für das Jahr 2020 beschlossen. Der Gewerbesteuer-Hebesatz sinkt von 439 auf 434 Prozent.

Dank der Gewerbegebiete Stahlwerk Becker (vorn) und Münchheide (hinten) nimmt Willich viel Gewerbesteuer ein.

Foto: Norbert Prümen

Es ist wohl eher eine symbolische Geste: Auf Antrag von CDU und Grünen und gegen die Stimmen der übrigen Fraktionen hat der Willicher Stadtrat mehrheitlich beschlossen, dass der Gewerbesteuer-Hebesatz um fünf Prozentpunkte auf 434 Prozent gesenkt wird. Für ein Unternehmen, das einen Reingewinn von 250 000 Euro macht, bedeutet das eine Entlastung von rund 450 Euro. Den städtischen Haushalt belastet es mit 450 000 Euro. CDU und Grüne wollen, dass der Hebesatz ein Jahr später erneut um fünf Prozentpunkte gesenkt wird, wenn die Finanzen es zulassen.

Die Senkung der Gewerbesteuer war finanziell der größte Posten bei den Beratungen zum Willicher Haushalt für das Jahr 2020. Die Senkung der Kita- und OGS-Beiträge ab 2020 mit einem Gesamtvolumen von rund 1,2 Millionen Euro pro Jahr war vorher schon beschlossen worden. Insgesamt steigt das Defizit im kommenden Jahr auf rund 1,15 Millionen Euro. Dieses Geld soll aus dem Überschuss von rund einer Million Euro kommen, der voraussichtlich 2019 erwirtschaftet wird. Kämmerer Willy Kerbusch hätte es lieber in die für schlechte Zeiten vorgesehene Ausgleichsrücklage, die bei derzeit zwölf Millionen Euro liegt, gesteckt. Der Haushalt 2020 sei dennoch „insgesamt zu verantworten“, sagte Kerbusch. CDU, Grüne und „Für Willich“ stimmten dem Etat 2020 und dem Stellenplan zu, SPD und FDP stimmten dagegen.

Insgesamt verlief die letzte und längste Ratssitzung des Jahres (der öffentliche Teil endete um 23.15 Uhr) recht harmonisch, auch wenn die Vorstellungen der Fraktionen durchaus unterschiedlich waren. Angesichts der bevorstehenden Kommunalwahl am 13. September 2020 fielen die Haushaltsreden der Fraktionsvorsitzenden also noch programmatischer aus als sonst.

Johannes Bäumges (CDU)

Er nutzte die Gelegenheit, die „Leistungsstandards in Willich, die in der Region ihresgleichen suchen, sei es im Erziehungs- und Bildungsbereich, im Sozialbereich, in Sport und Kultur oder auch in der sonstigen Infrastruktur“ in weiten Teilen als Erfolg der CDU darzustellen. Diese sei schließlich seit der Stadtgründung die stärkste Partei. Für die Zukunft seien ihm vier Punkte besonders wichtig: „Die wirtschaftliche Stärke unserer Stadt Willich hängt ganz wesentlich mit der wirtschaftlichen Stärke unserer Gewerbegebiete und der Einkommen unserer Bürger zusammen“, sagte er. Zweitens gehe es um die Frage, wie die Stadt dem Klimawandel begegne, drittens dürfe die Politik nicht zulassen, dass die Spaltung der Gesellschaft weiter voranschreite, viertens gehe es um den Ausbau der Infrastruktur, insbesondere der digitalen. „Nachdem wir in den letzten anderthalb Jahren die Möglichkeit, städtische Steuern aufgrund guter Einnahmen zu senken, intensiv geprüft und diskutiert haben, sind wir überzeugt, dass wir das vor einigen Jahren gegebene Versprechen, die Steuern wieder zu senken, wenn die Einnahmen der Stadt wieder nachhaltig gestiegen sind, jetzt einlösen können“, sagte Bäumges mit Blick auf die geforderte Gewerbesteuersenkung, durch die der Gewerbestandort Willich gestärkt werde. Vom Erfolg der Unternehmen profitierten schließlich alle Bürger.

Bernd-Dieter Röhrscheid (SPD)

Er merkte angesichts Bäumges’ Loblied auf die CDU süffisant an, dass zum ersten hauptamtlichen Bürgermeister Willichs immerhin SPD-Mann Lukas Siebenkotten gewählt worden sei, und bezeichnete die Union als „selbstgefällige Partei“. Auch Röhrscheid nutzte seine Haushaltsrede für einen Rückblick, schließlich war es seine 31. in Folge – und seine letzte, da er sich 2020 nicht mehr zur Wahl stellen will. Seit mehr als 30 Jahren fordere die SPD bezahlbaren Wohnraum. „Wir wollen, dass auch neue Konzepte ausprobiert werden, so zum Beispiel die Überplanung des städtischen Grundstücks an der Moltkestraße für die Neubebauung mit Hilfe eines genossenschaftlichen Wohnbaumodells.“ Röhrscheid ging ebenfalls auf die Bedeutung des Klimaschutzes und die notwendige Verlängerung der Regiobahn ein und wandte sich schließlich gegen Steuersenkungen, „die zu einer Reduzierung des Haushaltsüberschusses oder gar zum Griff in die Rücklage führen“. Schwarz-grünen Wahlgeschenken werde man nicht zustimmen, man wolle die 2020 erwirtschafteten Überschüsse lieber zur Stärkung des Eigenkapitals und, wenn möglich, zu einer weiteren Senkung der Elternbeiträge für Kitas und OGS einsetzen.

Raimund Berg (Grüne)

Klimawandel, nachhaltigeres Wirtschaften, demographischer Wandel und die Abschwächung des wirtschaftlichen Wachstums seien wesentliche Parameter, die das Jahr 2020 bestimmen würden – in Deutschland wie in Willich, stellte Berg fest. Wichtig sei es, das einstimmig beschlossene Projekt „Global Nachhaltige Kommune“ umzusetzen. „Die heißen und ungewöhnlich trockenen Sommer 2018 und 2019 haben deutlich gemacht, dass wir die Auswirkungen der Klimaerwärmung zu spüren bekommen. Nach unserer Überzeugung müssen wir als Stadt nicht nur reagieren, sondern in den nächsten Jahren in eine nachhaltigere Zukunft investieren“, sagte Berg. Was die Fahrradfreundlichkeit Willichs betreffe, liege „vieles noch im Argen“, so Berg weiter. In Bezug auf die Finanzpolitik bedeute Nachhaltigkeit nicht, Schulden prinzipiell zu verbieten, erklärte Berg mit Blick auf eine von der FDP geforderte Schuldenbremse. „Kein Kind soll in Willich in zu großen OGS- oder Kita-Gruppen betreut werden oder gar abgelehnt werden, weil die Stadt sich den Ausbau dieser Einrichtungen erst in zwei Jahren ohne Kredite leisten kann.“ Ein Schuldenverbot lehne man daher ab.

Hans-Joachim Donath (FDP)

Donath lobte die SPD („Die Rede hätte auch von uns sein können“) und kritisierte CDU und Grüne für deren Gegenfinanzierung der Gewerbesteuersenkung: „Das Geld gehört in die Ausgleichsrücklage. Sie verfrühstücken das Geld, das ist unverantwortlich.“ Eine Entlastung um fünf oder zehn Prozentpunkte sei zudem keine wirkliche Entlastung der Unternehmen, vielmehr brauche es ohnehin eine bessere Infrastruktur, was Verkehr und schnelles Internet angeht. Die FDP wolle Nachhaltigkeit und eine solide Finanzwirtschaft und keine Wählerstimmenfängerei. Zwar sei man auch für eine Senkung der Gewerbesteuer, allerdings nicht zum jetzigen Zeitpunkt. Dieses Ziel wolle man dem neuen Rat der kommenden Wahlperiode mit auf den Weg geben. Auch die Senkung der Kita-Beiträge begrüße man im Prinzip, „aber nicht in dieser Intensität, obwohl das Geld nicht da ist“. CDU und Grüne hätten „populistisch die Beiträge gesenkt“, obwohl die Frage, woher man qualifizierte Erzieherinnen bekomme, viel drängender sei, so Donath.“Sie schaffen Anreize, KInder in die Kita zu schicken, haben aber das Personal nicht. Das ist eine Mogelpackung.“

Detlef Nicola („Für Willich“)

Er nahm sich CDU und Grüne vor: Mit ihrer strategischen Partnerschaft, hätten sie „etwas in Gang gesetzt, was wir seit den sogenannten Willicher Verhältnissen nicht mehr erlebt haben“: Wortlosigkeit, fehlende Gespräche, fehlende Feinabstimmung der Fraktionen vor den Haushaltsberatungen, Frust und finanzielle Fesseln. Durch die finanziell hohen Forderungen beraubten CDU und Grüne die anderen Fraktionen ihres Gestaltungsspielraums. „Da bleibt selbst für kleine Forderungen kein Spielraum mehr.“ Aber angesichts der Mehrheit von Union und Grünen könne man ja eh praktisch nichts. Nicola warb darum, die Grundsteuer B und die Hundesteuer zu senken, dieser Antrag wurde aber am Ende abgelehnt. msc