„Wir haben einen Nerv getroffen“

Festspiel-Intendant Jan Bodinus ist mit der Resonanz bisher sehr zufrieden. Probleme gibt’s beim Kinderstück.

Foto: Kurt Lübke

Neersen. Der „Mann mit dem Hut“, wie er sich selbst gerne nennt, setzt seine Neersener Erfolgsgeschichte fort: Als Intendant der Schlossfestspiele sorgt Jan Bodinus auch in seiner zweiten Spielzeit für großen Andrang an den Theaterkassen. Zur „Halbzeit“ der Spielzeit haben wir mit ihm eine Zwischenbilanz gezogen.

Foto: Friedhelm Reimann

Herr Bodinus, die Besucherzahlen der Spielzeit 2016 sprechen für sich: Mehr als 20 000 Tickets wurden bereits verkauft. Und wie läuft es aus künstlerischer Sicht?

Foto: Stadt

Jan Bodinus: Ich bin sehr zufrieden. Die Resonanz, die ich auf „Ziemlich beste Freunde“ bekomme, ist durchweg positiv und außerordentlich gut. Dabei mussten wir sogar zehn Tage vor der Premiere noch eine Umbesetzung vornehmen. Aber das hat toll geklappt. Mit dem Stück haben wir offenbar einen Nerv getroffen: Es ist eine Komödie, die aber auch bewegend und anrührend ist. Unser Schauspieler Gideon Rapp hat sich mal an den Rand einer Vorstellung gesetzt und beobachtet, dass die Leute nicht nur lachen, sondern tatsächlich auch weinen. Es ist halt nicht nur eine Komödie, sondern auch eine bewegende Geschichte.

Apropos Gideon Rapp: Welche Darsteller haben Sie besonders begeistert?

Bodinus: Da möchte ich niemanden besonders hervorheben. Wir haben hier ein tolles Ensemble, sowohl vor wie auch hinter den Kulissen. Das merke ich jetzt auch gerade wieder bei den Proben zur Feuerzangenbowle. Dort sind mit Stefan Henaku-Grabski, Sven Tillmann, Jan Wenglarz und Miguel Jachmann auch vier Jungs aus den Impro-Battles von Sven Post dabei. Das sind keine Profi-Schauspieler, aber die machen das toll, das funktioniert ganz wunderbar — und zeigt den Erfolg von solchen Projekten für Jugendliche in der Region.

Sie setzen im Programm auf populäre Werke, auf die Umsetzung bekannter Filmstoffe. Früher gab’s bei den Festspielen noch Klassiker von Shakespeare, Kleist und Goldoni. Haben Sie Zweifel, dass man damit die Besucher noch locken kann?

Bodinus: Leider hat meine Vorgängerin Astrid Jacob die Erfahrung gemacht, dass die Zuschauerzahlen gesunken sind, als sie einen Shakespeare auf die Bühne gebracht hat. Dennoch habe ich auch Lust auf den einen oder anderen Klassiker. Meiner Meinung nach gab es in den zurückliegenden Jahren eine Tendenz am Theater, diese Stoffe überzuinterpretieren und zu verkünsteln. Oft vertraut man den Texten, den Stoffen an sich nicht mehr. Das finde ich schade. Einen gut gemachten Klassiker unter freiem Himmel kann ich mir sehr gut vorstellen und habe dafür auch schon ziemlich konkrete Pläne. Mehr möchte ich aber noch nicht verraten, es soll ja spannend bleiben.

Sie beschäftigen sich also gedanklich schon mit dem Programm für 2017?

Bodinus: Immer. Das muss ich auch: Vorverhandlungen laufen, Gastspiele müssen frühzeitig vereinbart werden. Ich denke sogar schon über 2018 nach, obwohl ich dafür noch gar keinen Vertrag habe. Aber ich kann nicht anders: Ich möchte gute Leute frühzeitig an uns binden, sonst haben sie andere Engagements.

Wie gelingt Ihnen das? Mit viel Geld wohl kaum.

Bodinus: Stimmt. Wir haben einen unterbezahlten Beruf, vor allem wenn man bedenkt, was wir leisten. Die Kolleginnen und Kollegen würden doch sogar noch mit geschienten Knochen spielen. Und dieser Einsatz gilt für alle Abteilungen unseres Theaters.

Wie also überzeugen Sie Ihre Leute, nach Neersen zu kommen?

Bodinus: Mit einem tollen Team, mit der Qualität unserer Arbeit, mit dem konzentrierten Spaß, den wir hier haben.

Wie ist denn in Theaterkreisen mittlerweile das Ansehen der Neersener Schlossfestspiele?

Bodinus: Wir haben uns bundesweit einen hohen Stellenwert erarbeitet. Auch wenn wir vom Etat her mit den großen Freilichtbühnen nicht mithalten können. Doch uns gelingt es eben, auch mit einem geringen Etat tolle Sachen zu machen. Der Stellenwert ist auch dadurch gestiegen, dass wir Menschen mit einem bekannten Gesicht engagieren. Das bringt entsprechende Presserückmeldungen oder das Fernsehen kommt vorbei. Als Sarah Elena Timpe kürzlich bei Gottschalk von ihrem Engagement hier und der gemeinsamen Lesung mit Samuel Koch erzählte, gab’s noch in der gleichen Nacht zusätzliche Kartenbestellungen. Das sind eben die kleinen Bausteine, die sehr wichtig sind, die heute unverzichtbar sind und auf die ich neben dem künstlerischen Gehalt großen Wert lege.

Sie setzen stärker auf Stars im Ensemble als Ihre Vorgänger, so in diesem Jahr mit den Hauptdarstellern in „Ziemlich beste Freunde“ oder 2015 mit Michael Schanze als Pater Brown. Bleiben Sie bei dieser Linie?

Bodinus: Wenn wir sie bekommen können und eine Rolle für sie haben: Ja, doch, natürlich. Eine Wiederverpflichtung von Michael Schanze steht zum Beispiel irgendwann im Raum. Über so etwas muss ich allerdings mit seiner Managerin verhandeln, die in Österreich sitzt. Auch deshalb muss man eine Spielzeit frühzeitig vorbereiten.

Kommen wir zurück auf die laufende Spielzeit. Das Kinderstück erfüllt in diesem Jahr bei den Kartenverkäufen nicht ganz die Erwartungen. Im Vorjahr war’s schon ähnlich - trotz glänzender Kritiken. Woran könnte das liegen?

Bodinus: Das ist derzeit bundesweit in fast allen Theatern im Kinderbereich so. Wir werden dazu jetzt eine Arbeitsgruppe bilden, um dieser Entwicklung auf den Grund zu gehen. Möglich wäre es zum Beispiel, verstärkt die Lehrer persönlich anzusprechen, in die Schulen hineinzugehen und vielleicht auch Theater-Projekte mit kleineren Kindern zu machen, so wie wir es ja bereits erfolgreich für Jugendliche tun. Gedanken in dieser Richtung könnten sich bald konkretisieren.

Welche Wünsche haben Sie noch zur Verbesserung der Festspiele insgesamt?

Bodinus: Eine feste Werkstatt wäre schön. Im Augenblick müssen wir in jedem Jahr einen anderen Ort dafür suchen. Auch eine Verschönerung der Tribüne schwebt mir vor. Die rote Außenseite sieht gut aus, aber die Innenseite möchte ich verschönern. Und im Kindertheater-Bereich sind wir auf der Suche nach Sponsoren. Es wäre schön, dafür jemanden zu finden, um die genannten Projekte weiter ausbauen zu können.

Welcher Moment der bisherigen Festspiele 2016 wird Ihnen besonders in Erinnerung bleiben?

Bodinus: Der Besuch der Flüchtlinge bei den Generalproben — was im Übrigen ja auch gut zu unserem Motto „Fremde, Freunde“ passte. Die Resonanz auf unsere Einladung war enorm, sowohl von Kindern als auch Erwachsenen. Das habe ich sehr genossen. Und vielleicht haben wir damit ja auch einen minimalen Beitrag zur Integration dieser Menschen in unserer Region geleistet.