Choy Ka Fais Zukunftsvisionen im Tanzhaus NRW Der Künstler als virtuelles Ich

Düsseldorf · Der Medienkünstler Choy Ka Fai stellte bei seiner Performance im Tanzhaus unangenehme Fragen über die Risiken der technologischen Freiheit.

Choy Ka Fai gehört zu den Künstlern, die ihr Publikum mit Charme und Humor für ein vermeintlich leichtes Thema begeistern können, das bei genauerer Betrachtung einen ernsten Hintergrund hat. Seine Lecture-Performance „Sometimes I See the Future“, die am Freitagabend im Tanzhaus NRW Uraufführung feierte, ist dafür ein Beispiel. Es sei eine Arbeit, die für ihn ein Prozess ist, so Choy Ka Fai. Er selbst tritt zunächst als Avatar auf einer Leinwand in Erscheinung. Der sei eine Art optimiertes Ich, sagt er.

Geboren in Singapur, zog Choy Ka Fai vor zehn Jahren nach in die Bundeshauptstadt, um dort frei seine Kreativität und seine Queerness ausleben zu können. Alles lief gut, bis Choy vor zwei Jahren in eine Krise rutschte. Es folgten ein Zusammenbruch und die Erkenntnis, dass seine Social-Media-Präsenz seinen Zustand längst gespiegelt hatte, bevor er es selbst merkte. Er begann mit der Idee zu spielen, wie sein Wunsch-Ich als Avatar aussehen könnte, und war damit mittendrin im Thema, das die Zukunft der Menschheit nachhaltig verändern wird: virtuelle Welten.

„Wir können uns unterhalten, obwohl ich in Berlin bin und ihr hier“, sagt Choys Avatar ans Publikum im Tanzhaus gewandt, um dann die Botschaft hinterherzuschieben, dass die vermeintliche Freiheit, immer und überall erreichbar zu sein, mit Einsamkeit einhergehe. Wo bleibt die Kraft der Gemeinde, das Zusammenkommen mit Freunden? Wird es das in Zukunft etwa immer seltener geben, bis es nur noch eine blasse Erinnerung ist? Sein Interesse als Künstler war geweckt.

Bei seinen Recherchen stieß er auf die Manga-Kultur und das Phänomen der Cosplayer. Die schlüpfen schließlich in verschiedene Charaktere, treffen sich auf speziellen Events wie etwa dem Japantag. Dort war der Videokünstler mit seiner Kamera unterwegs und tauchte danach tief ein ins Cosplay-Universum. Choy flog nach Tokio – das ein Hotspot für Fans des Rollenspiels ist – und drehte heimlich Videos in der Szene. Er interviewte Cosplayer, um zu erfahren, was sie denn an diesem Hobby reizt. Ein junger Mann aus Berlin gibt zu, dass Cosplay ihm die Freiheit gibt, so zu sein, wie er ist, und dieses Erlebnis mit Gleichgesinnten zu teilen.

Cosplay also als Ersatz oder neue Form der Gemeinschaft? Das hat durchaus seinen Reiz für Choy. Plötzlich steht er selbst auf der Bühne im Cosplay-Kostüm.

Auf der Leinwand tanzt sein virtuelles Ich als Konglomerat aus KI, Chatbots, Twitch-Streaming und Cosplay und gibt einen Hinweis auf das Web 3.0. Der Mensch tritt in den Hintergrund zugunsten einer virtuellen Identität. Eine Vorstellung, die nicht nur den Videokünstler nachdenklich macht.