Anpfiff für einen Tag im Zug
Die WZ hat Kadri Güneris an seinem Arbeitsplatz besucht. Er ist seit 20 Jahren Zugbegleiter.
Mönchengladbach. Mit einer Verspätung von sechs Minuten rollt der Regionalexpress 4 nach Dortmund in den Gladbacher Hauptbahnhof ein. Es ist 15.16 Uhr, und Kadri Güneris Arbeitstag beginnt. Kurz vor der Abfahrt gibt er den Achtungspfiff und hebt die runde, orangefarbene Abfertigungsscheibe: Die Türen sind geschlossen. Kaum in den Zug eingestiegen, spricht ihn eine junge Frau an. Sie hat einen Schlüssel gefunden und gibt ihn Güneri.
Nach kurzer Zeit kommt ein Anruf aus der Zentrale: Der Schlüsselbesitzer hat sich gemeldet. Güneri sammelt nicht nur verlorene Gegenstände ein, auch Durchsagen gehören zu seinen Aufgaben. Kurz vor Neuss beruhigt er die Fahrgäste über die Lautsprecher: Trotz der Verspätung erreichen alle Reisenden ihre Anschlüsse.
Nächste Station: Düsseldorfer Hauptbahnhof. Eine Rollstuhlfahrerin möchte mitfahren, der Zugbegleiter hilft ihr. Güneris Hauptaufgabe ist aber das Kontrollieren der Fahrausweise. „Ich treffe täglich auf Reisende ohne gültigen Fahrausweis.“ Auch dann bleibt er höflich. Es gebe viele Gründe dafür, schwarz zu fahren.
Kadri Güneri wurde in der türkischen Provinz Bingöl geboren. Mit 18 Jahren kam der heute 52-jährige alleine nach Deutschland. „In der Türkei gab es politische Unruhen“, erklärt Güneri seine Auswanderung. 1980 bewarb sich Güneri bei der Deutschen Bahn — und wurde sofort eingestellt. Er arbeitete unter anderem schon als Wagenreiniger, Vorarbeiter und Qualitätskontrolleur. Als seine Frau 1986 ein Jobangebot als Intensivkrankenschwester in Viersen bekam, stellte Güneri einen Versetzungsantrag.
Seit 1993 ist er Zugbegleiter. Er arbeitet je eine Woche im Frühdienst und eine Woche im Spätdienst. Hat er Frühdienst, muss er um vier Uhr seinen Dienst beginnen. „An das frühe Aufstehen kann ich mich nach all den Jahren nicht gewöhnen“, sagt er. Alle 23 Wochen muss er einen Nachtdienst übernehmen. „Die Angst fährt dann mit“, gibt Güneri zu. Er habe jedoch gelernt, sich selbst nicht in Gefahr zu bringen. Auch ein Sicherheitsdienst begleitet den Zug in den Abendstunden.
„Ich bin mit meiner Arbeit sehr zufrieden“, sagt Güneri. „Ich bin mit Menschen zusammen und viel unterwegs.“ Außerdem sei sein Job sehr abwechslungsreich. Die Fahrgäste seien dankbar für die Anwesenheit der Zugbegleiter. Nur selten würden die Reisenden ihm gegenüber ausfallend. Zum Beispiel dann, wenn ein Zug große Verspätung hat.
Während seiner Schicht kommt Güneri ganz schön rum: Dortmund, Aachen, Köln und Krefeld sind heute einige seiner Stationen. Bei Dienstende ist es 1.18 Uhr.