Mönchengladbach. Sie hängen sich an Türen, halten sich an Fenstern fest oder hangeln sich auf das Dach der Waggons. Und wenn der Zug dann so richtig in Fahrt gekommen ist, verspüren die Bahn-Surfer den angeblich so unbeschreiblichen Nervenkitzel.
Die Suche nach diesem Kick hat Dienstagnacht einen 20-Jährigen beinahe das Leben gekostet. Der in Neustrelitz geborene Mann kletterte nach Angaben der Bundespolizei um kurz vor 24 Uhr auf die soeben aus Düsseldorf eingelaufene Schnellbahn (S 8). Zwischen dem Triebwagen und dem ersten Waggon. Hier geriet er wohl unmittelbar an die 15000 Volt-Oberleitung. Das verursachte einen großen Lichtblitz und einen Kurzschluss.
Der S-Bahn-Surfer fiel auf das Waggon-Dach und blieb hier wie leblos liegen.
Zuggäste alarmierten Feuerwehr und Polizei. Einige von ihnen zogen den als wohnungslos geltenden Mann vom Zug aufs Gleis. Dieses Engagement sei heutzutage zwar nicht selbstverständlich und daher löblich, aber wegen der Stromgefahr gefährlich, sagt ein Bahnsprecher der WZ.
Rettungssanitäter leisteten Erste Hilfe und brachten das schwerst verletzte Opfer zum Klinikum nach Aachen. Ein Rettungshubschrauber konnte wegen der Dunkelheit und der ungünstigen Witterungsbedingungen nicht landen, sagt ein Feuerwehr-Sprecher.
Im Krankenhaus versetzen die Ärzte den jungen Mann in ein künstliches Koma.
Mehr als 40 Prozent seiner Haut sollen verbrannt sein, schwer in Mitleidenschaft gezogen wurden die Arme. Träten keine weiteren Komplikationen auf, habe der Jugendliche eine Überlebenschance, sagt ein Notarzt.
Kurz nach dem schlimmen Vorfall erlitt der Lokführer der S-Bahn einen Schock. Er wurde durch einen anderen Zugführer abgelöst. Ein Notfallseelsorger der Gladbacher Feuerwehr bot ihm seine Hilfe an, er betreute auch mehrere entsetzte Bahnkunden.
Tief betroffen reagierten die Eltern des 20-Jährigen, die von Beamten der Bahnpolizei informiert wurden. Sie wohnen in Viersen.
Bahn-Surfer sind nach Darstellung eines Düsseldorfer Bahnsprechers relativ selten. Der durch "puren Leichtsinn" entstandene Unfall eines Bahn-Surfers sei der bislang einzige bekannt gewordene in diesem Jahr. Allerdings gebe es auch hier eine größere Dunkelziffer.
Der Bahnbetrieb sei "kaum beeinträchtigt" worden. "Zu dieser Uhrzeit fährt in Gladbach nicht mehr viel", sagt der Bahnsprecher weiter.
Die Ermittlungen der Bahnpolizei dauern an. Weitere Zeugen melden sich unter Tel. MG 290.