Die Radfahrer erobern Mönchengladbachs Straßen

Spürbar mehr Zweiräder sind in der Stadt unterwegs. Ab 2016 dürfen sie zudem 22 Einbahnstraßen in beide Richtungen befahren.

Foto: von Dahlen

Zwei kleine Anekdoten erzählen schon fast die ganze Geschichte. Dass Gladbach und nicht Düsseldorf ein riesiges Snowboard-Event bekommt, hat auch damit zu tun, dass sich der Allrounder-Geschäftsführer August Pollen und Oberbürgermeister Hans Wilhelm Reiners eines Samstags zufällig trafen und ins Erzählen kamen — in einem Fahrradgeschäft. Vor gut zehn Jahren stellten die Stadtplaner der Verwaltung die Umgestaltung für die Nordstraße um und hatten einen Radweg mitgeplant. Die Verkehrspolitiker strichen ihn damals wieder heraus.

Als vergangene Woche mal eben mit einem Handstreich 22 Einbahnstraßen, darunter Regenten-, Albertus- und Kaiserstraße, für Radfahrer freigegeben wurden, dauerte das im zuständigen Bau- und Planungsausschuss keine drei Minuten. Denn dass das eine gute und richtige Idee ist, bezweifelt niemand. Georg Weber (Grüne) freute sich darüber, dass das „mal eben so in einem Rutsch geht“. Es geht plötzlich was in Sachen Radeln in Gladbach. „Ich habe zum ersten Mal das Gefühl, dass unsere Planer die Radfahrer wirklich wahrnehmen“, sagt Thomas C. Claßen, Vorstandsmitglied des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC). Das hat weniger mit den Einbahnstraßen zu tun. Die muss die Stadt nämlich seit 2009 laut Straßenverkehrsordnung für Radfahrer in beide Richtungen frei geben, wenn nicht an einzelnen Stellen konkrete Sicherheitsbedenken greifen. Untersuchungen zeigen, dass die Unfallzahlen durch das Freigeben von Einbahnstraßen nicht steigen, sondern sinken. Die Stadt hat es trotzdem lange nicht getan — und deswegen noch viel Arbeit vor sich. Allein in Rheydt kommen Radfahrer schon seit längerem gut in beide Richtungen durch.

Claßen lobt den jüngsten Plan für Burggrafen- und Landgrafenstraße. „Bei größeren Umgestaltungen denkt die Verwaltung jetzt auch an die Radfahrer“, sagt der ADFC-Vertreter. Und die trommeln selbst. Mit pfiffigen Aktionen wie der Fahrradstadt, Nachtradeln und dem jüngsten Versuch, die beiden Hauptbahnhöfe mit einem blauen Strich auf der Straße als schnelle Radroute zu markieren. Dazu sammeln die Initiatoren gerade per Crowdfunding Geld ein (www.voba-mg.viele-schaffen-mehr.de).

Der Etat für das Ausweisen neuer Radwege ist verdoppelt worden. Der Masterplan Nahmobilität wird gerade vergeben. Über so viel Rückenwind werden die Verfechter des Radfahrens nicht müde zu betonen, dass Gladbach erst am Anfang einer langen Strecke steht. „Ich freue mich über jede einzelne dieser Maßnahmen. Aber vieles war überfällig. Und es bleibt auch noch immens viel zu tun“, sagt Fahrradhändler Peter Beckers. Eigentlich bringe die Stadt alle Voraussetzungen mit, eine Radmetropole zu werden. „Doch noch fahren die meisten Gladbacher Sonntag als Freizeitvergnügen. Dabei könnte man viele Wege unter der Woche genauso gut mit dem Rad zurücklegen“, so Beckers. Zumindest, wenn die Infrastruktur weiter systematisch verbessert werde und die Stadt gegen parkende Autos auf Geh- und Radwegen systematischer vorgehe. „Da haben wir noch viel Handlungsbedarf“, resümiert Beckers.

Eines allerdings ist erreicht — und dessen Symbolwirkung ist nicht zu unterschätzen. Radelt ein Politiker im Anzug zum offiziellen Termin, ist das nicht mehr zwangsläufig der Fraktionssprecher der Grünen. Es kann genauso gut der CDU-Oberbürgermeister sein.