Gericht: Es war versuchter Mord

21-Jähriger muss für sieben Jahre und zehn Monate ins Gefängnis.

Mönchengladbach. Angespannte Stimmung im Saal A 100 des Landgerichts. Wie wird das Gericht den Angriff des heute 21-jährigen Roberto di S. gegen den Polizisten Michael Frehn werten? War es versuchter Mord? Oder „nur“ eine gefährliche Körperverletzung, wie es die Verteidigung versucht hatte herauszustellen?

Unter den vielen Zuhörern sind vor allem Polizisten, die ihren Kollegen unterstützen — aber auch hören wollen, wie es ausgeht, denn jeder von ihnen hätte selbst Opfer sein können. Mindestens genau so viele junge Leute aus Odenkirchen sind gekommen — draußen vor dem Saal stehen Polizeibeamte, um den reibungslosen Ablauf zu sichern.

Das Urteil: sieben Jahre und zehn Monate wegen versuchten Mordes, gefährlicher Körperverletzung und Widerstandes. Es folgt dem Antrag der Staatsanwaltschaft und bezieht noch zwei weitere Straftaten ein: Einen Monat vor der Tat hatte di S. Polizisten beleidigt und Widerstand geleistet — und am Tag nach seiner Festnahme war er im Präsidium auf einen Beamten losgegangen.

Der Angeklagte hatte eingeräumt, am 28. August 2010 Frehn mit einem Tritt das komplette Mittelgesicht zertrümmert zu haben. In der Nacht hatte es einen versuchten Einbruch in den Kaiser’s-Markt (Wehrstraße) gegeben. Polizisten kontrollierten die Umgebung und stießen auf eine Gruppe Menschen.

„Was folgte, war eine ordnungsgemäße Kontrolle“, sagte Richter Lothar Beckers in der Urteilsbegründung. Polizisten wollten die Personalien feststellen, ein Mann rastete aus. Vier Beamte, darunter Frehn, waren nötig, um ihn zu Boden zu bringen und zu fesseln. Die Handschellen waren noch nicht angelegt, als di S. aus einem nahen Haus der Burgmühle angerast kam. Zunächst konnte ihn ein Beamter abdrängen, dann habe er einen Moment der Unruhe, als ein Polizeihund auftrat, genutzt, um Frehn ins Gesicht zu treten.

Sein Mandant habe geglaubt, bei dem am Boden Liegenden habe es sich um den Vater oder Bruder gehandelt, hatte Verteidiger Mario Prigge versucht, um Verständnis zu werben. Aber hier fand Beckers deutliche Worte: „Er sah seinen Verwandten in Gefahr — vor wem? Vor den Polizeibeamten?“ Das rechtfertige ein solches Verhalten „nicht einmal ansatzweise“. Es dürfe nicht sein, dass „es bei einer Personenkontrolle zu so etwas kommt“, so der Richter.

Die Richter kamen zu dem Schluss, di S. sei nicht so dumm und unschuldig, wie er aussieht. „Er reagierte aufmerksam und kalkulierte sein Verhalten“, heißt es in der Urteilsbegründung. Schon seine Bewährungshelferin — er stand wegen einer anderen Gewalttat unter Bewährung — hatte ihn als berechnend beschrieben, und war später vor Gericht beleidigt worden.

Für einige Zeugen dürfte der Prozess ein Nachspiel haben. Das Gericht glaubt ihrer Version, di S. sei auf Strümpfen unterwegs gewesen, nicht. Sie werden sich dafür verantworten müssen.

„Es muss sich in Odenkirchen herumsprechen, dass man sich nicht so gegen Polizei und Justiz zur Wehr setzen darf“, sagt Beckers. Verteidiger Prigge kündigte an, Revision einzulegen.