Immer mehr Menschen kehren der Kirche den Rücken

Deutlich über dem Durchschnitt liegt die Zahl der Austritte bei der katholischen Kirche in Gladbach.

Immer mehr Menschen kehren der Kirche den Rücken
Foto: privat

Mönchengladbach. Die Zahl der Kirchenaustritte katholischer Christen ist in Mönchengladbach im Jahresvergleich 2013 / 2014 um 42,5 Prozent gestiegen — und liegt damit deutlich über dem Durchschnitt von 24 Prozent im Bistum Aachen. Auf diese Nachricht hat der kulturpolitische Sprecher der CDU, Dieter Breymann, mit Betroffenheit reagiert. „Diese Zahlen müssen uns alle beunruhigen“, sagt er. 2013 haben 636 Katholiken der Kirche den Rücken gekehrt, 2014 waren es 906. In den Jahren davor pendelte die Zahl der Austritte zwischen 370 und 580.

Das Bistum Aachen hat sich zur schrumpfenden Zahl der steuerzahlenden Gläubigen geäußert. Unter anderem werden demografische Faktoren und Wegzüge für die sinkende Zahl der Katholiken im Bistumsgebiet verantwortlich gemacht. Im gesamten Bistum sank diese um 15 247 Personen auf rund 1,07 Millionen Katholiken. In der Diözese wurden 11 207 Menschen bestattet, rund 3089 Katholiken zogen in ein anderes Bistum. 2014 traten 8105 Katholiken aus der Kirche aus — das waren 1558 mehr als im Vorjahr.

Andreas Frick, Generalvikar Bistum Aachen

„Wir nehmen die aktuellen Zahlen der Kirchenaustritte sehr ernst, und sie lassen uns nicht unberührt“, sagt Dr. Andreas Frick, Generalvikar des Bistums Aachen. „Über die vielfältigen Gründe einer solchen Entscheidung können wir nur spekulieren. Aber im Kern zeigen die Zahlen eines: dass immer mehr Menschen die Beziehung und den Kontakt zur Kirche verlieren.“

„Ich kann mir die hohe Zahl der Kirchenaustritte in Mönchengladbach nicht erklären“, sagt Ulrich Clancett. Der Regionaldekan ist vor allem irritiert, weil es seiner Meinung nach in dem entsprechenden Zeitraum keine gravierenden negativen Vorkommnisse gegeben hat. „Wir haben kein Pfarrhaus nach Limburger Vorbild vergoldet, es wurden keine Kinder geschändet.“ Eher sei die Heiligtumsfahrt mit großer öffentlicher Beteiligung als positives Erlebnis in dieser Zeit zu nennen. Über die Gründe, die die Katholiken bewegen, auszutreten, könne er nur spekulieren. „Wir fragen zwar bei jedem nach, bekommen aber in der Regel keine Antwort.“ In welchem Maße das Thema Kirchensteuer und Kapitalertragssteuer eine Rolle gespielt habe, wisse er nicht.

Dieses Thema hält Superintendent Dietrich Denker teilweise auch für verantwortlich für die Austritte, die auch die evangelische Kirche betreffen. Die Zahl ist leicht gestiegen. „Mit 378 Austritten im vergangenen Jahr liegen wir etwas höher als in den vergangenen“, sagt er. Zum Stichtag 1. Januar 2015 wurde ein automatisiertes Verfahren zum Abzug von Kirchensteuer auf abgeltend besteuerte Kapitalerträge eingerichtet. Die dafür erforderlichen Vorarbeiten begannen schon Anfang 2014. „Zu dieser Zeit kam es bei uns zu einer Bugwelle von Austritten“, so der Superintendent. Insgesamt sei bei vielen Christen die Bindung zur Kirche eher locker. „Da reicht eine Kleinigkeit, um sie zu bewegen, der Kirche den Rücken zu kehren“, sagt Dietrich Denker. „Wir haben nur eine Chance, unsere Gemeindeglieder zu halten, wenn wir deren Bindung zur Kirche intensivieren.“ Dazu gehöre unter anderem eine gute Öffentlichkeitsarbeit.