Jugendamt kämpft mit Mündelgesetz
Jeder städtische Vormund muss die von ihm betreuten Kinder einmal im Monat besuchen. Doch es fehlt Personal.
Mönchengladbach. Oktober 2006: Der kleine Kevin wird in Bremen im Kühlschrank seines drogensüchtigen Ziehvaters gefunden. November 2007: Die von ihren Eltern vernachlässigte Lea-Sophie wird in Schwerin unterernährt ins Krankenhaus gebracht, wo sie trotz aller Rettungsversuche stirbt.
Das sind nur zwei erschütternde Fälle von vielen. Zwei Namen, die eng mit der anhaltenden Diskussion um Kindesmisshandlung und die Frage, wie man sie verhindern kann, verbunden sind.
Ganz frisch ist das neue Gesetz für Vormundschaft und Betreuung, das vor diesem Hintergrund verabschiedet worden ist. In Gladbach arbeitet man seit Juni daran, den strengeren Auflagen für die Jugendämter gerecht zu werden. Allerdings fehlt es noch an genügend Personal.
Eigentlich sollen die Vormünder die von ihnen betreuten Kinder in der Regel einmal im Monat persönlich besuchen. Um das möglich zu machen, wurde im Gesetz die Zahl der Mädchen und Jungen, die allerhöchstens von einem Vormund betreut werden dürfen, verringert. Es sollen höchstens 50 sein.
Mönchengladbach erfüllt die Vorgabe derzeit noch nicht. Der Schlüssel liegt aktuell bei durchschnittlich 77 Kindern pro Mitarbeiter. Stadtpressesprecher Walter Schröders sagt: „Bisher kann keine Stadt das Gesetz erfüllen. Da muss man ehrlich sein. Andere Kommunen haben noch höhere Fallzahlen. Mönchengladbach ist nicht ganz so problematisch.“
Was die Fallzahlen angeht, haben die Gladbacher noch Zeit bis Juli 2012. Doch das Gesetz ist zweigeteilt. Die Auflage, jedes Kind und jeden Jugendlichen regulär einmal im Monat zu besuchen, ist bereits in Kraft getreten.
Dass jeder Mitarbeiter es schafft, seine 77 „Mündel“ einmal im Monat zu besuchen, ist illusorisch. Erst recht, wenn — wie in Gladbach — Kinder dabei sind, die mittlerweile in anderen Städten leben. „Weit weg“, so Schröders, „sind drei Prozent der Kinder untergebracht.“
Die geplante Lösung beinhaltet deshalb mehrere Punkte. Schröders betont, dass die städtischen Mitarbeiter für den Moment „alles tun, was personell und zeitlich möglich ist, um die Kinder so oft wie möglich zu besuchen — wir sind auf dem Weg“. Das heißt für die acht Mitarbeiter auf sieben Stellen, dass es oft spät wird.
Um ans Ziel zu kommen, soll das Personal um vier weitere Betreuer aufgestockt werden. Die Stellen werden für 2012 beantragt. Der gesamte Stellenplan der Verwaltung wird gerade aufgestellt. „Wir sind sicher, dass die entsprechenden Beschlüsse gefasst werden und die Stellen bis Juli eingerichtet und besetzt werden können“, sagt Jugendamtsleiter Reinhold Steins.
Geplant ist außerdem, die Kinder, die außerhalb der Stadt wohnen, in die Obhut der dortigen Jugendämter zu geben.
Eigentlich hatte die Stadt mehr als rechtzeitig reagiert. Als sich das Gesetz im vergangenen Jahr ankündigte, war das Jugendamt schon lange dabei, sein System umzustellen. Die bereits 2009 neu eingerichtete Abteilung für Vormundschaften reduzierte durch zusätzliches Personal die Fälle pro Mitarbeiter von rund 110 auf 80 Kinder und Jugendliche Anfang 2010.
Damals waren es sechs Mitarbeiter, mittlerweile sind es eben acht. Aber vor einem Jahr waren es auch 505 Vormundschaften, mittlerweile sind es 541. Wenn Kinder zu Hause einem Risiko ausgesetzt sind, wenn sie misshandelt, missbraucht, vernachlässigt werden oder verwahrlosen und Familienrichter den Eltern das Sorgerecht entziehen, werden in Mönchengladbach mittlerweile in rund zwei Dritteln der Fälle die Vormundschaften an das Jugendamt vergeben. Und man geht davon aus, dass die Zahlen weiter steigen werden.