Kartoffelklau in Wickrath
Die Abiturientin Johanna Hirsch hat eine spannende Arbeit über die Nachkriegszeit vorgelegt.
Mönchengladbach. Es gab eine Zeit, da wollte sie alles hinwerfen: Johanna Hirsch hatte so viel Material zur Nachkriegszeit in Wickrath gesammelt, dass sie fast daran verzweifelt wäre. Doch ihr Geschichtslehrer Walter Domes stellte nach Durchsicht der Unterlagen fest: „Du bist eigentlich fertig, da fehlt nicht mehr viel.“ Also beendete Johanna Hirsch ihre Arbeit und hat damit nicht nur einen wichtigen Baustein für ihre Reifeprüfung fertig gestellt, sondern auch gleichzeitig eine Lücke in der Wickrather Stadtgeschichte geschlossen und ein gut lesbares Stück Lokalhistorie vorgelegt.
Die 18-Jährige der Gesamtschule Espenstraße hat sich mit den Erfahrungen von Kindern und Jugendlichen in Wickrath der Jahre 1945 bis 1948 auseinandergesetzt. Dazu hat sie nicht nur die — sehr spärlich vorhandenen — Akten und Protokolle dieser Jahre ausgewertet, sondern sie hat auch und vor allem Zeitzeugen befragt, Bewohner Wickraths und der umliegenden Dörfer, die bei Kriegsende zwischen 10 und 20 Jahre alt waren.
Mit viel Geduld und Akribie hat sie die Berichte zusammengetragen, abgeglichen und unter Überschriften wie Versorgungslage oder Schule zusammengefasst. So entsteht ein anschauliches Bild vom Leben in jenen Jahren direkt nach dem Zweiten Weltkrieg. „Man konnte überleben in dieser Zeit, aber viele waren auch gezwungen, Lebensmittel zu klauen“, erzählt die Abiturientin. Bei einer ihrer Zeitzeuginnen klingt das so: „Gegen Felddiebe konnte man sich nicht schützen. Nachts kamen an die 20 Personen und haben auf dem Feld Kartoffeln ausgehackt. Wir haben das gesehen, waren aber zu wenig Personen, um die hungrige Meute zu verjagen.“
Auch in der Schule ging es notgedrungen provisorisch zu. „Die evangelische Volksschule in Wickrath war zerstört“, berichtet Johanna Hirsch. Unterricht fand trotzdem statt, aber: „Die alten Bücher gab es nicht mehr und neue auch nicht“, erzählte ihr ein Wickrather.
„Wir hatten auch lange Zeit nichts zu schreiben. Ich weiß gar nicht mehr, wann es wieder Hefte gab.“ Auf 90 Seiten hat Johanna Hirsch ihre Ergebnisse zusammengestellt. „Es ist eine sehr aufwändige Arbeit, die richtig gut zu lesen ist“, lobt der Leiter des Stadtarchivs, Christian Wolfsberger. Auf Wunsch können interessierte Bürger sie auch einsehen, aber zum Drucken fehlen momentan die Mittel. „Vielleicht findet sich ein Sponsor“, sagt Wolfsberger.
Mehr: Tel. MG 252080.