Theater: Atemloser Diener und atemberaubendes Stück
Carlo Goldonis Klassiker „Der Diener zweier Herren“ in der Regie von Matthias Kniesbeck hat Premiere im TiN gefeiert.
Mönchengladbach. Erst scheinen die Schauspieler atemlos: die Truppe einer Wanderbühne muss ihren Fiat 600 schieben. Das ist die Rahmenhandlung, die Regisseur Matthias Kniesbeck für seine Inszenierung von Carlo Goldonis "Diener zweier Herren" erdacht hat, das jetzt in Mönchengladbach Premiere hatte.
Im ersten Augenblick wirkt sie noch leicht verkommen diese Truppe - der Rauch der Zigaretten riecht seltsam würzig und die Schauspielerin könnte in ihren rosa Lack-Platteau-Stiefeln den Damen vom horizontalen Gewerbe Konkurrenz machen.
Doch schon wie sie sich vor den Augen des Publikums in nur wenigen Minuten in die Charaktere der Comedia dell’arte verwandeln - das ist atemberaubend: Da ist der Pantalone, der typische reiche Kaufmann (Joachim Henschke) mit seiner zum Barock-Püppchen aufgerüschten Tochter Clarice (Anja Barth): so geizig, dass er selbst am Hochzeitsmahl sparen möchte.
Da wäre der typische Dottore (Matthias Oelrich), der ununterbrochen leere lateinische Phrasen drischt, um seinen grünen Sohn Silvio (Ronny Tomiska) zu verheiraten.
Wie dann der Diener Truffaldino (Frederik Leberle) auftaucht, und die ganze Gruppe in Verwirrung stürzt, weil er seinen Herrn ankündigt, dem Clarice versprochen war. Nicht ahnend, dass es eigentlich dessen Schwester Beatrice (Eva Mona Rodekirchen) ist, die als Mann verkleidet ihrem Geliebten Florindo (Adrian Linke) hinterher gereist ist, in dessen Dienste Truffaldino dann ebenfalls tritt und von diesem Augenblick an kaum zu Atem komm. Geschweige denn dazu, seinen Hunger zu stillen und Clarices Zofe (Esther Keil) für sich zu erobern.
Regisseur Matthias Kniesbeck stattet jede Figur mit Gesten aus, die sie typisieren und wirklich zu komisch sind. Beispielsweise die kleine Rolle des Wirtes Brighella, der in Beatrices Gegenwart in so bezeichnender Art und Weise am Zipfelchen seines Schürzchens fummelt.
Tobias Wessler gibt ihm Mimik, Gestik, Gang und Stimme - der Schmierlapp ist perfekt und komisch. So genau und passend trifft das bei allen Figuren des Spiels zu. Das Ensemble agiert mit Spielfreude und Verve. Geschlagene zwei Stunden lang.
Der Inszenierung fehlen auch tiefe Momente nicht. Wenn etwa Beatrice und Florindo durch Truffaldinos Notlügen glauben, der jeweils andere sei tot. Doch anstatt in Tragik zu baden, versuchen sie sich in einem der Kanäle Venedigs zu ertränken - den Ausstatterin Monika Gora leibhaftig in den Bühnenraum integriert und mit dem es sich auch sonst herrlich spielen lässt. Truffaldino rettet sie - kurz bevor ihnen die Luft ausgeht.
Und dann sind da auch noch atemberaubende Fechtszenen. Die zu sehen, lohnt allein den Besuch des Stücks. Die Schauspieler haben extra Unterricht genommen. Ach so, und singen kann das Ensemble auch noch. Bravorufe und begeisterter Applaus sind wahrlich verdient.