Mönchengladbach. Toter im Baum ist wahrscheinlich junger Obdachloser mit tragischer Vergangenheit
Mönchengladbach. Der Schock bei den Anwohnern einer Wohnsiedlung in Mönchengladbach sitzt auch zehn Tage nach dem fürchterlichen Fund noch tief. Die Blicke der Nachbarn sind gesenkt, als sie an dem Grundstück vorbeigehen, auf dem bereits Ende April ein Spaziergänger die Leiche eines Mannes in einer Baumkrone entdeckt hatte.
Gestern wurde der Leichnam des Mannes obduziert. „Dabei haben sich keine Anhaltspunkte für ein Fremdverschulden am Tod der aufgefundenen Person ergeben“, teilten Polizei und Staatsanwaltschaft gestern Nachmittag mit. Der Tote könnte erfroren oder an einer Intoxikation, also einer Vergiftung durch Medikamente oder Drogen, gestorben sein. Die Vermutung, dass der Mann in den Baum geklettert war und sich in dreieinhalb bis vier Metern Höhe auf einem Ast niedergelassen hatte, liege nahe, sagt Staatsanwalt Stefan Lingens.
Nachbarn vermuten, dass es sich bei dem Toten um einen 17-Jährigen handelt, der als Obdachloser in dem Wohngebiet bekannt war und in der letzten Zeit nicht mehr gesehen wurde. Der junge Mann hatte eine tragische Vergangenheit: Im Januar 2014 tötete sein Vater die Mutter mit einem Messer. Der damals 14-Jährige versuchte noch seine Mutter vor der Attacke zu schützen und wurde selbst schwer verletzt. Der Vater wurde später zu einer zwölfjährigen Haftstrafe verurteilt und nahm sich später im Gefängnis das Leben.
Die Geschehnisse müssen den Jungen schwer traumatisiert haben. Angeblich konnte er sich nicht mehr in geschlossenen Räumen aufhalten und campierte deshalb auf Dächern und Bäumen. Eine Unterbringung in einer Psychatrie oder Jugendeinrichtung lehnte er ab.
Mithilfe einer DNA-Analyse soll nun eindeutig geklärt werden, um wen es sich bei dem Toten wirklich um den jungen Obdachlosen handelt. Die Ermittler gehen davon aus, dass das Ergebnis Ende dieser Woche vorliegen könnte. Da es keine Anhaltspunkte für ein Verbrechen gebe, seien die Ermittlungen zur Todesursache nun abgeschlossen, sagt Lingens. Jetzt gehe es nur noch um die Ermittlung der Identität. Eine Vermisstenanzeige, die zu der gefundenen Person passt, gebe es nicht, wie Polizeisprecherin Cornelia Weber sagt.
In dem Wohngebiet in Windberg, in dem die Leiche gefunden wurde, sorgt der Fall für Entsetzen. „Traurig und gruselig zugleich“, sagt eine Anwohnerin. Die junge Frau ging täglich mit ihren Kindern an der Stelle vorbei, an der der tote Mann wochenlang lag.
„Es ist wirklich unfassbar, dass davon niemand etwas mitbekommen hat. Aber der Baum war so dicht bewachsen, da konnte man wirklich nichts sehen“, sagt sie.
Dass die Leiche nur schwer zu erkennen war, zeigen auch Bilder der Polizei vom Fundort.
Ein 59-jähriger Spaziergänger hatte am 29. April gegen 13 Uhr bei der Polizei „eine vermeintlich leblose Person oder eine lebensgroße Puppe“ gemeldet. Um die Leiche des Mannes aus der Baumkrone zu befreien, musste die Feuerwehr zahlreiche Äste abtrennen. Deren Überreste liegen bis heute noch auf einer Grünfläche in der Nähe des Baums. „Spekuliert wird natürlich viel, aber sicheres weiß niemand hier. Aber so oder so, das ist einfach nur schlimm“, sagt eine weitere Nachbarin.