Firma Schorch meldet Insolvenz an

Dem Motorenhersteller droht Zahlungsunfähigkeit. Mehr als die Hälfte der 400 Arbeitsplätze stellt das Unternehmen zur Diskussion.

Foto: Detlef Ilgner

Die Mitarbeiter von Schorch sind es gewohnt, Nackenschläge einzustecken — zu viele Umstrukturierungen, zu viel Personalabbau haben sie in den letzten Jahren erlebt. Der Antrag auf ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung, dem das Amtsgericht gestern stattgab, stellt alles Bisherige diesbezüglich aber locker in den Schatten: Über die Hälfte der noch verbliebenen 401 Mitarbeiter — konkret „mehr als 200“ — sollen den traditionsreichen Motorenhersteller verlassen.

Als Grund für den drastischen Schritt wurde drohende (nicht akute) Zahlungsunfähigkeit angegeben. Das schwierige Marktumfeld, im Wesentlichen resultierend aus dem Verfall des Ölpreises, ein branchenweit rückläufiger Auftragseingang und die dadurch bedingte andauernde Verlustsituation, machten ihn erforderlich. Nicht zuletzt angesichts der Tatsache, dass der chinesische Eigentümer Wolong seit 2015 mehr als 35 Millionen Euro zur Verfügung gestellt habe, um Schorch in der operativen Krise zu unterstützen. Der erhoffte verbesserte Auftragseingang habe sich allerdings nicht eingestellt.

Das Unternehmen legt Wert darauf zu betonen, dass der Schritt freiwillig erfolgte — und präventiv. „Die Geschäftsführung sieht dies als Sanierungsinstrument an“, sagt Gilbert Faul, in der Schorch-Muttergesellschaft ATB für das operative Geschäft zuständig. Es seien keine Gläubiger verprellt worden, gebe so gut wie keine Außenstände. Schorch-Geschäftsführer Michael Grüner fügt hinzu, man wolle auf diesem Weg nachhaltig aus dem „ständigen Krisenmodus“ herauskommen: „Wir haben das Glück, dass wir von den Eigentümern die finanzielle Unterstützung erhalten haben, um die nächsten Monate zu überbrücken.“ In der Tat erlaubt es das seit 2012 gültige Instrument der Eigenverwaltung, dass „die bisherige Geschäftsführung handlungsfähig bleibt, das Vertrauen der Kunden nicht leidet und langfristige Aufträge weitergeführt werden können“, wie der beauftragte Sanierungsexperte Dirk Andres von der Düsseldorfer Kanzlei Andres Partner sagt. Als Sachwalter ist der ebenfalls renommierte Rechtsanwalt Horst Piepenburg mit im Boot. Zudem wurde intern ein „Chief Restructuring Officer“ bestellt.

Die Eigenverwaltung erfordert jedoch auch, dass ein realistischer Plan zugrundeliegen muss, wie das Unternehmen wieder in sicheres Fahrwasser gerät — bis August sind Gehälter und Löhne über das Insolvenzgeld der Arbeitsagentur abgesichert, bis zum Winter will man das Insolvenzverfahren verlassen haben, schon 2018 wieder wettbewerbsfähig sein. Die Prognosen basierten allerdings auf dem verbesserten Auftragseingang, den zumindest die ersten vier Monate 2017 bereits erbracht hätten, sagt Faul.

Reimund Strauß, Bevollmächtigter der IG Metall

Doch wie sieht dieser Plan, abgesehen von einem schubweise erfolgenden Stellenabbau, aus? „Wir werden sicher nicht mehr alles abdecken können“, sagt Grüner — heißt: Von einigen oder mehreren Produktionsprozessen wird man sich trennen, auf das Know-how von ATB-Schwesterwerken setzen. Man müsse effizienter werden, etwa im Bereich Automobilprüfstände die Lieferzeiten verkürzen, aber auch den Servicebereich ausbauen. „Vielleicht ist es der große Befreiungsschlag, auch wenn es für uns und die Beschäftigten zunächst mal ein herber Rückschlag ist“, sagt IG-Metall-Bevollmächtigter Reimund Strauß. Spätestens seit der China-Reise der WFMG im März, die auch zum dortigen Schorch-Ableger führte, habe man gewusst, dass etwas im Busch ist — „dass es in dieser Größenordnung passiert, überrascht aber“. Seit Jahren sei von Unternehmensseite insgesamt zu wenig unternommen worden. „Es wird uns nicht leichtfallen, den Standort überhaupt zu halten“, sagt Strauß. Schon im Herbst hatte es Gerüchte gegeben, die Produktion könnte nach China oder Serbien verlagert werden, lediglich die Marke solle in Deutschland gehalten werden.

Dem jedoch widersprechen die Firmenverantwortlichen. „Erklärtes Ziel der Eigentümer ist es, Schorch und den Standort Mönchengladbach zu erhalten“, sagt Geschäftsführer George Gao. Und: Es wird in Aussicht gestellt, dass letzterer — falls die Restrukturierung erfolgreich ist — sogar gestärkt wird. So berichteten Gao und Grüner dem Mönchengladbacher Oberbürgermeister Hans Wilhelm Reiners, es sei dann vorgesehen, den kompletten Europavertrieb des ATB-Konzerns nach Gladbach zu verlagern. Bisher erfolge dies von elf Standorten aus. Zudem solle die Forschungsabteilung in die Vitusstadt verlegt werden. Das hieße, dass hier auch neue Produkte entwickelt werden, erfuhr Reiners.

Auf diese Weise würden etwa 100 Arbeitsplätze nach Gladbach verlagert. „Für die Betroffenen, die jetzt ihren Job verlieren, und für die Stadt ist dies dennoch eine sehr bittere Nachricht“, sagte Reiners.