Missbrauchsvorwurf gegen Priester aus Nettetal Angehörige wenden sich an Rom
Kaldenkirchen/Schiefbahn · Wie viele katholische Kleriker, denen sexualisierte Gewalt gegen Minderjährige und Schutzbefohlene vorgeworfen wird, sind dem Bistum Aachen bekannt? Warum wurden 53 Namen veröffentlicht? Antworten auf diese und andere Fragen enthält ein Bericht, den das Bistum jetzt vorgelegt hat.
. 226 namentlich bekannte Betroffene, 142 Beschuldigte, 129 davon Kleriker – es ist eine traurige Bilanz, die das Bistum Aachen jetzt in einem Bericht vorgelegt hat. Darin wird dargelegt, wie das Bistum Fälle von sexualisierter Gewalt gegen Minderjährige und Schutzbefohlene bislang aufgearbeitet hat und weiter aufarbeiten will. Unter den beschuldigten 129 Klerikern ist auch ein Mann, nach dem in Schiefbahn eine Straße benannt ist: Der hier früher tätige, ehemalige Weihbischof August Peters. Schwierig genug für Angehörige des 1986 gestorbenen Priesters. Empörung hat bei einigen von ihnen ausgelöst, dass das Bistum Aachen am 18. Oktober 2023 August Peters als einen mutmaßlichen Täter öffentlich benannt hat – gemeinsam mit weiteren 52 Namen.
„Der Umgang mit den Lebensgeschichten der Betroffenenen und der Beschuldigten und damit mit dem Schriftverkehr und den Akten erfolgt nach den geltenden Vorgaben der gesetzlichen und kirchlichen Datenschutzverordnungen“, heißt es in dem jetzt vorgelegten Bericht des Bistums. Und: Datenschutz sei ein Thema „von höchster Priorität“. Prof. Leo Peters, ein in Kaldenkirchen lebender Vetter des ehemaligen Weihbischofs hingegen sieht durch die Veröffentlichung des Namens von August Peters die Persönlichkeitsrechte des Verstorbenen und den rechtsstaatlichen Grundsatz der Unschuldsvermutung bis zu einer richterlichen Verurteilung verletzt. Zumal die Nennung auf einem unbewiesenen, „50 Jahre nach der angeblichen Tat“ erhobenen Vorwurf hin erfolgt sei, sagt Peters. Ein Gespräch mit einem Vertreter des Bistums im Dezember 2023 brachte laut Peters keine Annäherung. Ein persönliches Gespräch habe Bischof Helmut Dieser, abgelehnt.
Der Vetter des Beschuldigten hat sich daraufhin in Berlin beim Botschafter des Papstes über den Aachener Bischof beschwert. Der Nuntius habe geantwortet, er werde die Beschwerde an die päpstliche Kurie weiterleiten. Eine Klage gegen das Bistum, wie zunächst erwogen, könne es aber nicht geben, sagt Peters. Denn eine Schwester des ehemaligen Weihbischofs sei im Februar gestorben und damit die letzte Person, die strafrechtliche Schritte hätte einleiten können. „Ich setze jetzt meine Hoffnung auf die Kurie“, sagt Peters – wissend, dass die Mühlen der Kurie in Rom langsam mahlen.
Nach welchen Kriterien das Bistum entschieden hat, welche Namen von Beschuldigten offengelegt werden, hat es im jetzt vorgelegten Bericht so beschrieben: Ein Name wurde veröffentlicht, wenn der Beschuldigte von staatlichen oder kirchlichen Gerichten einschlägig rechtskräftig verurteilt worden war oder mindestens ein Opfer-Antrag auf Anerkennung des Leids von einer unabhängigen Kommission positiv beschieden worden war und der Täter oder der mutmaßliche Täter seit mehr als zehn Jahren verstorben war.
Die Resonanz auf die Veröffentlichung der 53 Namen im Oktober 2023 war dem Bistums-Bericht zufolge groß. Bis 19. Januar 2024 habe es insgesamt 217 Rückmeldungen gegeben, insgesamt 66 Personen gaben laut Bistum im Laufe von Gesprächen an, in ihrer Kindheit oder Jugend oder als Schutzbefohlene von sexualisierter Gewalt betroffen gewesen zu sein.
Betroffene können sogenannte Anträge auf Anerkennung des Leids stellen, die von einer speziellen Stabsstelle des Bistums behandelt werden. Werden die Anträge positiv beschieden, erhalten die Opfer sogenannte Anerkennungsleistungen vom Bistum. Die Zahl solcher Anträge schwankte in den vergangenen Jahren erheblich. 2011 waren es beispielsweise 40, 2019 und 2020 jeweils nur fünf, im vorigen Jahr wiederum 23 – zehn davon von Frauen, 13 von Männern. Die Vorwürfe bezogen sich auf einen Zeitraum von 1948 bis 1998.
„Insgesamt haben 147 Personen bis Ende des Jahres 2023 einen Erstantrag auf Anerkennung des Leids beim Bistum Aachen gestellt, davon sind bis zum 31. Dezember 137 Anträge beschieden worden“, bilanziert das Bistum.