Missbrauch Neues Gutachten für Erzbistum Köln belastet Amtsträger

Köln · Der Strafrechtler Björn Gercke, der für den Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki ein neues Missbrauchsgutachten erarbeitet, hat Pflichtverletzungen „noch lebender Amtsträger“ der katholischen Kirche festgestellt.

Düsseldorf: Kardinal Rainer Maria Woelki, Erzbischof von Köln, spricht bei der ökumenischen Andacht zum Beginn der Passionszeit.

Foto: dpa/Marcel Kusch

Das erste Gutachten hatte Woelki als mangelhaft eingestuft und deshalb unter Verschluss gehalten. Die Kanzlei, die es angefertigt hat, bestreitet die Vorwürfe. Untersucht wird jeweils, wie Verantwortliche des Erzbistums Köln in der Vergangenheit mit Vorwürfen des sexuellen Missbrauchs von Kindern durch Priester umgegangen sind.

Gercke sagte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, die in seinem Gutachten belasteten Amtsträger versuchten derzeit, die Vorwürfe auszuräumen, doch sei dies „nicht in jedem Fall gelungen“. Ihr Verhalten sei „sehr, sehr unterschiedlich“. Zurzeit werde abschließend geprüft, was aus dem Gutachten öffentlich gemacht werden könne.

„Ich verrate heute nicht zuviel, wenn ich sage: Die Reaktionen des einen oder anderen potenziell Verantwortlichen oder seiner Anwälte lassen erwarten, dass es äußerungsrechtlich zum Schwur kommen könnte.“ Man könne aber davon ausgehen, dass der Öffentlichkeit am 18. März ein umfassendes Gutachten präsentiert werden könne.

Die starke Nachfrage nach Terminen für Kirchenaustritte hält in Köln derweil unvermindert an. Am Montag waren sämtliche 1500 Online-Termine für den Monat Mai nach wenigen Stunden ausgebucht. Damit sind nun vorerst wieder keine Termine für Kirchenaustritte in der viertgrößten deutschen Stadt zu bekommen.

Die nächsten 1500 Termine für den Monat Juni würden am 1. April freigeschaltet, sagte ein Sprecher des Amtsgerichts. In den vergangenen Wochen sei die Zahl der Termine bereits zweimal aufgestockt worden.

Woelki wird heftig dafür kritisiert, dass er das erste Gutachten bisher nicht veröffentlicht hat. Der ehemalige Präfekt der römischen Glaubenskongregation, Kardinal Gerhard Ludwig Müller, warb jedoch um Verständnis. „Ich finde es erschütternd, dass ein formaler Verfahrensvorgang instrumentalisiert wird, um ideologische Machtpolitik zu betreiben“, teilte er der Deutschen Presse-Agentur mit. Letztlich gehe es darum, den Geschädigten Gerechtigkeit widerfahren zu lassen - die formalen Verfahrensregeln seien zweitrangig. „Ein Bischof ist kein politischer Akteur, sondern als Nachfolger der Apostel zu messen an seinem Dienst am Evangelium für das ewige Heil der Menschen bei Gott“, betonte Müller, ehemals Bischof von Regensburg.

Das katholische Hilfswerk Misereor schaltete auf seiner Internetseite ein neues Hinweisgeberportal frei, auf dem Verstöße gemeldet werden können. „Misereor hat großes Interesse daran, dass nachweisbare oder vermutete Grenzüberschreitungen oder gar Rechtsverletzungen gemeldet werden“, sagte Geschäftsführer Thomas Antkowiak.

Besondere Aufmerksamkeit gelte dem Thema Machtmissbrauch durch sexualisierte Gewalt und Ausbeutung. Ziel sei eine Organisationskultur der Achtsamkeit, des Hinsehens und Eingreifens.

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(dpa)