Wiedersehen im Albert-Schweitzer-Haus in Grevenbroich Bruder und Schwester finden nach 34 Jahren wieder zusammen

Grevenbroich · Es war 1989, als sich die Geschwister Jakob und Elisabeth zum letzten Mal trafen. Danach verloren sie sich aus den Augen. Keiner wusste, wo der andere lebte. Wie die beiden nach langer Zeit endlich wieder zueinander fanden.

Nach langer Zeit gab es ein Wiedersehen: Jakob Noll und seine Schwester Elisabeth hatten sich 34 Jahre lang aus den Augen verloren.

Foto: Albert-Schweitzer-Haus

Schon seit langer Zeit war Jakob Noll (86) auf der Suche nach seiner Schwester Elisabeth. Vor 34 Jahren hatten sich die beiden aus den Augen verloren, keiner wusste, wo der andere lebte. Selbst dem Team der TV-Sendung „Vermisst“ war es nicht gelungen, eine heiße Spur aufzunehmen, um die Geschwister wieder zusammenzuführen. Gut, dass es Gianni Olivieri gibt. Der Altenpfleger vom Sozialen Dienst des Albert-Schweitzer-Hauses nahm die Sache in die Hand, um ein Wiedersehen zu ermöglichen. Und das mit Erfolg. Eine vorweihnachtliche Überraschung im Seniorenzentrum.

„Unsere Kindheit war nicht schön“, sagt Jakob Noll, der wie seine Schwester Elisabeth (85) in Gustorf geboren wurde. Als der Vater im Krieg war und die Mutter ein drittes Kind von einem anderen Mann erwartete, kam es – vorangetrieben durch die Großeltern – zur Scheidung des Ehepaars. Forciert vom Jugendamt, landeten Elisabeth und Jakob in einem Heim für Kinder aus zerrütteten Ehen in Büderich, die kleine (mittlerweile verstorbene) Halbschwester Else musste in ein Heim in Bonn.

Jakob und Elisabeth Noll wurden von den Großeltern erzogen

„Unsere Mutter hat uns regelmäßig besucht und auch um uns Kinder gekämpft – aber sie hatte damals keine Chance“, erzählt der 86-Jährige. „Gegen das Fräulein vom Jugendamt, das meine Schwester und mich mit einem Transporter abholen ließ, kam sie einfach nicht an. So war das leider früher.“ An die gemeinsame Zeit im Kinderheim hat Jakob Noll noch heute schreckliche Erinnerungen. Er erzählt von den Schwestern und deren mehr als fragwürdigen Erziehungsmethoden. „Grausame Strafen mit Gewalt und Isolation waren an der Tagesordnung“, schildert der Senior.

Als die Kinder schließlich ins Schulalter kamen, erhielten die Großeltern die Vormundschaft. Die Geschwister teilten sich im Haus von Opa und Oma ein Zimmer. Auch als der Vater ein zweites Mal heiratete, war die Hoffnung auf ein neues Zuhause schnell zerstreut. „Direkt nach der Hochzeit stellte unsere Stiefmutter klar, dass sie nicht die Kinder anderer Leute großziehen wird“, berichtet Noll. So übernahmen die Großeltern – damals schon über 60 Jahre alt – die Erziehung. „Sie haben dafür gesorgt, dass ich eine Ausbildung zum Industriekaufmann machen konnte. Dafür bin ich dankbar“, sagt der 86-Jährige, der in der Maschinenfabrik Buckau und bei RWE arbeitete. Ein richtiges Familienleben hätten die beiden Geschwister nie erlebt.

Als guter Fußballer spielte Jakob Noll in einigen Mannschaften, und auch im Tambourkorps Elsen-Fürth war er aktiv. Über den Spielmannszug lernte in Alt-Garzweiler seine spätere Frau Wilhelmine, genannt Minchen, kennen. In deren Familie fühlte er sich rasch wohl. „Elisabeth und ich haben jeweils Anschluss in den Familien unserer Ehepartner gefunden – und es leider versäumt, den Kontakt untereinander zu pflegen“, erzählt der Senior. Es war 1989, als sich die Geschwister bei einer Beerdigung zum vorläufig letzten Mal begegneten.

Schon seit langem hegte Jakob Noll den Wunsch, seine Schwester wiederzusehen. Über diese Sehnsucht erzählte er Gianni Olivieri bei der Biografiearbeit im Albert-Schweitzer-Haus. Gerührt vom Schicksal der beiden Geschwister, nahm er die Sache in die Hand – gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Nicole Timm. Die postete einen Aufruf in den Sozialen Medien, und schon kurze Zeit danach meldete sich ein Kind der Schwester und teilte die aktuelle Telefonnummer mit. Elisabeth Steins lebt übrigens nur wenige Kilometer von Grevenbroich entfernt – im Jüchener Stadtteil Stessen.

Beim ersten Telefonat wurde viel gelacht und erzählt. Die beiden konnten es anfangs noch nicht so wirklich realisieren, dass sie sich nach so langer Zeit wiedergefunden hatten. Drei Wochen später trafen sich die Geschwister zum gemeinsamen Kaffeetrinken im Albert-Schweitzer-Haus – und natürlich gab es bei dieser Gelegenheit auch ein Gläschen Sekt. Gerührt waren auch die Kollegen vom Seniorenzentrum: „Das Gefühl der Verbundenheit war bei den beiden sofort da – alle Beteiligten konnten die Tränen nicht zurückhalten“, erzählt Anke Lück vom Sozialen Dienst.