Prozess um Grevenbroicher Messerattacke „Angeklagter steht dauernd unter Druck“
Grevenbroich/Gladbach. · Parkinsel-Prozess: Hintergründe des Angreifers erörtert.
Beinahe zehn Minuten braucht der Richter, um alle 22 Einträge aus dem Registerauszug vorzulesen. Körperverletzung, Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz, Diebstahl, räuberische Erpressung, und das sind nur die Straftaten aus der Jugend. Tag vier im Prozess zum Messerangriff auf der Grevenbroicher Stadtparkinsel zeigt, wie tief der Angeklagte in der kriminellen Szene steckt – und wie knapp er dabei immer wieder einer langen Gefängnisstrafe entging.
„Er steht permanent unter Druck und gerät ständig in Konflikte mit seinem Vater, der Freundin, dem Jobcenter und den staatlichen Behörden“, sagt sein Bewährungshelfer. Der sollte schon am vorherigen Termin aussagen, war aber verhindert. Dafür fehlt nun wieder der Sachverständige.
Was war passiert? Der 29 Jahre alte Mann aus Grevenbroich soll im vergangenen Oktober mehrmals mit einem Messer auf einen Freund eingestochen haben. Ein Stich verletzte die Lunge des 24-Jährigen, die Staatsanwaltschaft ermittelte wegen versuchtem Totschlag. Die Tat hat der Angeklagte eingeräumt, fraglich ist nur, ob er sich mit dem Angriff selbst schützen wollte. Laut Zeugenaussagen haben sich die beiden zuvor gestritten, das Opfer schlug dem 29-Jährigen demnach ins Gesicht. Die Gruppe, mit der die beiden unterwegs waren, trennten Opfer und Täter. Wenig später kam es erneut zum Streit. Noch am gleichen Abend nahm die Polizei den Angeklagten fest. Eine Blutprobe ergab, dass er leicht angetrunken war und unter Drogeneinfluss stand.
In seinem Bericht schildert der Bewährungshelfer Probleme in der Zusammenarbeit. Ohnehin betreue er den 29-Jährigen erst seit Mitte 2018. Das dritte gemeinsame Gespräch fand kurz vor der Tat im Oktober statt. Da sprachen beide noch über die Jobaussichten des Angeklagten. Er soll sich um eine Ausbildung als Lagerhelfer bemüht haben. Der Kollege, der sich seit 2012 um den Grevenbroicher gekümmert hatte, stellte bereits damals ein aggressives Verhalten fest, das irgendwann in Resignation überging. „Er rief dann: Sperrt mich doch einfach ein“, sagt der Bewährungshelfer. Die Ausbrüche sorgten dafür, dass dem Angeklagte vom Jobcenter Hausverbot erteilt wurde. „Er wurde allen Erwartungen nicht gerecht.“ Das Leben ohne Abschluss, ohne Job und mit getrennten Eltern habe ihn zermürbt. Einen direkten Zusammenhang mit der Tat gebe es aber nicht.
Der Prozess wird am Dienstag fortgesetzt. Dann sollen Sachverständiger und Rechtsmediziner ihre Gutachten vorstellen. Ein Urteil wird für den 14. Juni erwartet.