Stadtfinanzen in Grevenbroich Kämmerin muss Milllionenloch erklären
Grevenbroich. · In den vergangenen zwei Monaten ist das Defizit im Entwurf des Grevenbroicher Haushalts von 20,2 auf 26,1 Millionen Euro angestiegen. Am Donnerstagabend soll der städtische Haushalt im Rat verabschiedet werden.
Kämmerin Monika Stirken-Hohmann hat es doppelt schwer. Geplagt von einem derben Frauenschnupfen muss sie erklären, warum in den vergangenen zwei Monaten das Loch im Haushaltsentwurf 2020 von 20,2 auf 26,1 Millionen Euro anstieg. Solch enorme Schwankungen zwischen dem ursprünglich eingebrachten Zahlenwerk und der Vorlage für den Rat am Donnerstagabend sind ungewöhnlich. Hauptgrund ist nach Angaben der Kämmerin ein heftiger Einbruch bei der Gewerbesteuer, den sie mit mindestens drei Millionen Euro beziffert. Zweitgrößter Posten sei die zu hohe Kreisumlage mit einem Haushaltseffekt von rund 1,9 Millionen Euro. Hinzu kommt eine Vielzahl von Einzelausgaben aus politischen Beschlüssen, Tarifabschlüssen und Fehlerkorrekturen.
Einbruch der Gewerbesteuer
Wenn die USA und China miteinander um Anteile am Welthandel ringen, die USA Europa und Deutschland mit Strafzöllen belegt und zudem der Motor wichtiger Branchen wie der Automobilindustrie oder dem Maschinenbau ins Stottern gerät, dann sinken die Einnahmen der vom Export so abhängigen deutschen Wirtschaft schlagartig. Die Bremsspuren der Weltkonjunktur sind bis in den 2020er Haushaltsentwurf von Grevenbroich hinein sichtbar.Streng genommen ist auch das Zahlenwerk, was am Donnerstagabend dem Rat vorgelegt wird, nur eine Momentaufnahme. „Erst heute Morgen habe ich erfahren, dass ein großer Gewerbesteuerzahler die Steuererklärung für 2018 fertiggestellt hat und eine größere Rückzahlung erwartet“, sagt Kämmerin Stirken-Hohmann. Schwankungen bei der Gewerbesteuer sind normal. Nur wenn sich die Einnahmen nach vielen Jahren im Plus abrupt ins Negative dreht, rüttelt das an den Haushaltsprognosen der Stadt. Zumal die außergewöhnlichen Überschüsse aus den Jahren 2018 und 2019 dafür sorgen, dass die Schlüsselzuweisungen des Landes Nordrhein-Westfalen für Grevenbroich von bisher 13 Millionen Euro auf Null abgesunken
sind.
Problemfaktor Kreisumlage
Bereits im Februar haben die Kommunen des Rhein-Kreises den Doppelhaushalt des Kreises abgelehnt – weil er auf Prognosen aus dem Jahr 2018 beruht. „Prognoseunschärfen“ lautete dabei das zentrale Schimpfwort. In diesen Tagen hat Bürgermeister Klaus Krützen erneut einen gemeinsamen Brief seiner Amtskollegen an Landrat Hans-Jürgen Petrauschke unterschrieben. Darin wird auf fünf Seiten vorgerechnet, dass der Rhein-Kreis den angehörigen Kommunen aufgrund falscher Prognosen viel tiefer in die Tasche greift als eigentlich angebracht wäre. Für den 2020er Haushaltsentwurf bedeutet das Mehrausgaben von 1,9 Millionen Euro. Wäre das nicht schon vor zwei Monaten absehbar gewesen? „Als ich den Haushaltsentwurf 2020 in Grevenbroich eingebracht habe, lagen aktualisierte Modellrechnungen noch nicht vor“, sagt Kämmerin Stirken-Hohmann. Jetzt - zum Etatbeschluss am Donnerstag – mussten die Zahlen angepasst werden. Ob der Kreis das zu viel einkassierte Geld wieder zurückgibt, ist ungewiss.
Vielzahl von Einzelmaßnahmen
Der Rest verteilt sich auf ein Bündel aus politischen Beschlüssen, Auswirkungen von Tarifabschlüssen, Ausschreibungen, Gebührenerhöhungen und Fehlerkorrekturen. Der mit 320 000 Euro größte Posten fließt in die Pensionsrückstellungen. Das Ogata-System – der offene Ganztag – werde nach einer Neuausschreibung knapp 200 000 Euro teurer, ein engerer Bustakt schlägt mit plus 110 000 Euro zu Buche. In den Bereich Kita und Qualitätssicherung im Rahmen des Kinderbildungsgesetzes fließen weitere 380 000 Euro in unterschiedlichen Teilbeträgen. Der Kreis lässt sich Mülldeponie und Schadstoffmobil ab 2020 teurer bezahlen – plus 160 300 Euro.