Leichtathletik: Stets den Nachwuchs im Blick halten
Der TSV Bayer genießt einen guten Ruf. Der Erfolg muss aber erarbeitet werden.
Dormagen. Am Mittwoch erhielt die Leichtathletikabteilung des TSV Bayer Dormagen für weitere drei Jahre bis zu den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro die Anerkennung als Landesstützpunkt. Das mag auf den ersten Blick eine Selbstverständlichkeit sein, hat der TSV doch Siegertypen wie Siebenkämpferin Sabine Everts oder Stabhochspringer Björn Otto hervorgebracht. Es ist jedoch alles andere als das, wie Peter Wastl, Vizepräsident des Leichtathletikverbandes Nordrhein, hervorhebt: „Der TSV hat in den vergangenen Jahren eben nicht nur im Spitzensport hervorragende Arbeit geleistet, sondern vor allem auch in der Nachwuchsförderung und im Breitensport.“
Gerade die Jugend für die trainingsintensive Leichtathletik zu gewinnen und für den Verein zu begeistern, sei in Zeiten von OGS und G8 eminent schwer, unterstreicht Hans-Peter König, Leiter des Dormagener Teilinternats. „Wir müssen Konzepte entwickeln, um diesem gesellschaftlichen Phänomen begegnen zu können. Das kann man nicht aus dem Ärmel schütteln, und das geht auch nur in Kooperation mit den Schulen. Es wird ein langwieriger Prozess. Wir müssen Talente noch früher sichten, sie begleiten und nach Möglichkeit an uns binden.“
Wie sich der längere Unterricht für einen Verein auswirkt, beschreibt Leichtathletik-Trainer Peter Kurowski: „Wir haben früher um 15 Uhr mit dem Training begonnen, jetzt ist es oft schon 17 Uhr. Im Winter wird es dann dunkel, die Kinder sind müde, die Motivation leidet.“ Dennoch seien alle Kindergruppen mit bis zu 25 Teilnehmern beim TSV voll — zum einen das Ergebnis optimaler Bedingungen mit Leichtathletikhalle und Kunststoffbahn am Höhenberg, zum anderen aber auch logische Konsequenz dank bestens ausgebildeter Trainer.
Der TSV Bayer hat mit Kurowski, Stefan Früh und Dirk Zorn allein drei hauptamtliche Trainer, hinzu kommen zwölf weitere Übungsleiter. Das kann bei weitem nicht jeder Verein leisten und ist auf eine solide Förderung — vor allem durch den Bayer-Konzern und die Sportstiftung des Rhein-Kreises — zurückzuführen. „Andere Vereine müssen auf eine eher wacklige Mischfinanzierung und befristete Verträge zurückgreifen. Da steht die Weiterbeschäftigung eines Trainers nicht selten auf der Kippe, weil Gelder erst in letzter Sekunde frei werden“, berichtet Wastl aus Erfahrung.
Wer dann noch über Zugpferde wie Björn Otto verfügt, kann sich glücklich schätzen. „Wenn er die Halle betrat, begann es irgendwie zu leuchten, und die Kinder bekamen große Augen. Er hat hier sogar den Tannenbaum geschmückt. Björn ist ein bodenständiger Typ, der bei uns auch die homogene Atmosphäre geschätzt hat“, berichtet Kurowski.
Und dennoch: Björn Otto wechselte Anfang vergangenen Jahres nach Köln, auch Stabhochspringer Karsten Dilla oder Schwimmer Christoph Fildebrandt kehrten dem TSV den Rücken. „Das hatte jeweils unterschiedliche Gründe — familiäre, berufliche oder Verpflichtungen dem Sponsor gegenüber — und schmälern aus meiner Sicht nicht das Renommee des Vereins“, sagt König.
Hoffnungsvolle Talente, die womöglich die Nachfolge der Stars von einst antreten könnten, stünden beim TSV bereits in den Startlöchern, lässt sich Abteilungsleiter Hubert Schmitz nicht beirren. Gerade bei den jungen Läuferinnen hat der Verein so einiges zu bieten: Tanja Spill, Michelle Hering und Anja Roggel oder auch Stabhochspringerin Lena Fuchs hätten das Potenzial dazu, groß herauszukommen.
Sie alle profitieren enorm vom Training in Dormagen, an dem auch junge Athleten aus Neuss, Krefeld, Mönchengladbach oder Düsseldorf teilnehmen. Ein Selbstläufer ist die Auszeichnung als Landesleistungsstützpunkt aber eben dennoch nicht. Wastl: „Anfang des Jahres kommen Zahlen und Fakten auf den Tisch. Da müssen nicht zwingend jedes Mal die absolut sensationellen Ergebnisse dabei sein. Aber ein ebenso zukunftsorientiertes wie nachvollziehbares Konzept sollte es schon geben.“