Büderich: Schüler reisen in ein verletztes Land
Austausch: Gruppe der Maria-Montessori-Gesamtschule besucht Partnerschule im ostafrikanischen Ruanda.
Büderich. Leuchtend rote Erde und der Geruch von Gewürzen, Fisch und Fleisch auf dem Markt, ein Meer aus bunt bedruckten Stoffen und Menschen, die ihnen aufgeschlossen, herzlich und neugierig begegnen - das haben vier Schüler der Büdericher Maria-Montessori-Gesamtschule zwei Wochen lang im ostafrikanischen Ruanda genossen. Die Meerbuscher waren nicht allein: Pädagogen, Pfarrer und fünf Kollegen der Theodor-Fliedner-Schule in Düsseldorf reisten im Rahmen der Partnerschaft, die vom evangelischen Kirchenkreis Düsseldorf-Nord getragen wird, nach Ruanda.
Zwei Wochen lang lief auch die Lankerin Julia Eichhorn mit offenen Augen und Ohren durch das Trainingscamp in Gitarama, in dem die Gruppe lebte. Sie sah, wie Mädchen in der Mothers Union nähen lernten und Bananenkarten bastelten; wie junge Männer in einer "Baumschule" mit Schreinerarbeiten vertraut gemacht wurden, um später im Arbeitsleben Fuß zu fassen. "Täter- und Opferkinder lernen miteinander", berichtet Julia Eichhorn.
Dem Völkermord zwischen Hutu und Tutsi in Ruanda, bei dem 1994 bis zu eine Million Menschen ermordet wurde, begegnet die Gruppe nicht nur in Monumenten. "Eine der ersten Fragen an uns war: Habt ihr alle Eltern?", erzählt Julia von ihrer Ankunft. Und von ihrem schlechten Gewissen, diese Frage bejahen zu können. Vorsichtige Rückfragen stießen oft auf Schweigen.
Dreimal hat die Gruppe die Partnerschule in Shyogwe besucht, mit den Jugendlichen Tänze eingeübt ("bis der Boden bebte"), Klassenräume, die kleine Schulbücherei ebenso wie die engen Schlafsäle mit den Etagenbetten für die Schüler besichtigt. Denn die lernen und leben in Shyogwe - weil ihr Heimweg zu weit, das Geld knapp ist oder die Angehörigen tot sind.
Man wisse alles über den Holocaust in Deutschland, sagt Julia Eichhorn, der ja in gewisser Weise mit dem Genozid in Ruanda vergleichbar sei. "Aber trotzdem ist hier alles anders. Jeder, der älter als 16 Jahre ist, hat den Völkermord ja miterlebt."
Bewegend war auch die Begegnung mit einem Zeitzeugen auf den Ruinen einer Kirche, in der Verfolgte vergeblich Schutz gesucht hatten: Neun Kinder und einen Bruder habe er in dem Bürgerkrieg verloren, berichtet die junge Lankerin erschüttert.
Die Erinnerung an den Genozid ist allgegenwärtig, aber es gibt ebenso den Alltag. Für die deutsche Reisegruppe bedeutet dies auch, Ehrengast bei der Eröffnung der Town Hall zu sein. Die neue Schulaula fasst bis zu 2000 Menschen und konnte unter anderem durch die Einnahmen eines Sponsorenlaufs der Gesamtschüler finanziert werden. Durch ihre Vermietung kann die Schule Geld einnehmen - und Brautpaare müssen nicht mehr auf die Ferien warten, um Schulräume für ihre Hochzeitsgesellschaft nutzen zu können.
Eine Bootsfahrt auf dem Kivusee, ein Inselspaziergang zu Flughunden, der Besuch beim deutschen Botschafter und eine Safari zu Zebras, Giraffen und Flusspferden - auch das ist Ruanda für die Schüler. Seit Sonntagabend ist Julia Eichhorn wieder in Lank. "Ich werde mit meiner Freundin wieder nach Ruanda reisen. Wenn nicht in drei, dann in fünf Jahren", sagt sie.