Fukushima: Gesunden Reis nur für die Kinder
Gäste aus Japan berichten von den verheerenden Folgen des Reaktorunglücks.
Büderich. Herr Kouichi Koike ist 64 Jahre alt und zum ersten Mal in Deutschland. Aufmerksam wartet er im Alten Küsterhauses auf seinen Einsatz. Die einladende Geste kommt von Andrea Blaum, der Vorsitzenden des BUND, der das Erinnern an die Atomreaktorkatastrophe in Fukushima veranstaltet.
Ruhig erzählt der Agrarwissenschaftler und Ökobauer, wie sich das Leben in seiner Heimat verändert hat, seit der Atomreaktor vor einem Jahr zerstört und die Präfektur Fukushima zum Katastrophengebiet wurde.
Dias zeigen das Vorher und das Danach, geben aber das Wesentliche nicht wider: Die lebensbedrohende Strahlung, die man, wie Kouichi Koike betont, spüren kann: beispielsweise, weil es auf seinem jetzt brachliegenden Land, wo er seit Beginn der 90er Jahre eine Kreislaufselbstversorgungswirtschaft entwickelt hatte, keine Insekten und keine Vögel mehr gibt.
Es sind Alltagsereignisse, die manchen Zuhörer im Küsterhaus schaudern lassen: Die Dusch-Empfehlungen der japanischen Behörden, weil die Menschen so der Strahlengefahr entgehen könnten — an Orten, die kein Wasser haben. Der Abtrag kontaminierten Bodens, worauf das Material auf der gegenüberliegenden Straßenseite mit schlichter Plane bedeckt gelagert wird.
Die Tatsache, dass viele Betroffene nur für ihre Kinder unbelasteten Reis kaufen, „aus wirtschaftlichen Gründen“, wie Kouichi Koike sagt. Der Umstand, dass zwei seiner Töchter die Region selbstständig verlassen haben, in der der Vater weiterhin lebt. „Ich will auch nicht, dass sie zurückkehren.“
Koike setzt sich wie seine Mitstreiterin Akiko Yoshida (Friends on Earth) für eine Ausweitung der Evakuierungspolitik ein. Würden die Strahlungs-Maßstäbe von Tschernobyl in Japan angelegt, müsste die Evakuierungszone achtmal größer sein, rechnen sie vor.
20 Millisievert im Jahr gelten im japanischen Krisengebiet als Grenzwert, fünf Millisievert waren es in der Ukraine. „Die Politik hat Angst vor Panik“, kommentiert Koike Verharmlosungen und Fehlinformationen.
Ein Jahr nach der Katastrophe sind Familien zerrissen, Nachbarschaften zerstört, tausende Menschen vermisst, ungezählte obdachlos. Keine Wiederinbetriebnahme der abgeschalteten Atomkraftwerke und ein drastischer Wechsel in der Energiepolitik — für diese Forderungen suchen die japanischen Gäste ein Jahr nach dem Reaktorunglück Unterstützung, in Berlin, Hamburg, Stuttgart und Büderich.