Umweltschutz in Meerbusch Behutsamer Transport über die todbringende Kreisstraße

Ilverich · Julian Bähr vom Nabu Meerbusch und seine Mitstreiter tragen Kröten, Frösche und Molche über die Kreisstraße 9 in die Laichgewässer in der Altrheinschlinge. Bislang sind so wenige Amphibien wie nie zuvor in den Kisten gelandet.

Eine Helferin hat diese Kröte in einer der Sammelkisten an der K9 gefunden. Im Sand können sich die Amphibien leicht einbuddeln.

Foto: Veronika Tichy

Hinter den Kopfweiden steht elegant der Silberreiher. „Und da oben ruft schon der Mäusebussard“, sagt Julian Bähr und weist mit dem Finger Richtung Himmel. Es ist kalt an diesem Morgen und stürmisch. Nur ein einziger Bergmolch, offensichtlich ein Weibchen, hat den Weg entlang des rund 300 Meter langen, grünen Vlieszauns in die sichere Sammelkiste an der Kreisstraße 9 (K9) in Ilverich gefunden.

Der 38-jährige Maschinenbauingenieur, der sich in der Nabu-Gruppe Meerbusch engagiert, ist ein wenig enttäuscht. „Im Moment ist es zu kalt. Aber wenn es in den nächsten Tagen wärmer wird, dann müssen bis Mitte, vielleicht in diesem Jahr sogar bis Ende April noch so einige Amphibien kommen.“ Er befürchtet: „Sonst wird es zumindest an dieser Sammelstelle das schlechteste Krötenjahr seit Beginn unserer Zählung im Jahr 2015.“

Julian Bähr hat mit Handschuhen ein Bergmolch-Weibchen aus der Sammelkiste geholt. Er hofft, dass es noch mehr Tiere werden, wenn es wieder wärmer wird.

Foto: ena

Damals hatten die Umweltschützer insgesamt nur rund 300 Kröten gesammelt und jenseits der K 9 in der Ilvericher Altrheinschlinge wieder ausgesetzt. Im Rekordjahr 2018 waren es 1200 Kröten und im vergangenen Jahr immerhin rund 630. Das Ergebnis bislang: 189 Erdkröten, 19 Bergmolche, ein Teichmolch. Der mäßige Tagesbestwert liegt aktuell bei 30 Kröten, Frösche waren in diesem Jahr noch gar nicht dabei, 20 Tiere wurden überfahren. Von seinen Nabu-Kollegen in Jüchen hat Julian Bähr erfahren, dass sie ebenfalls auf ihr schlechtestes Sammeljahr zusteuern, wenn sich die Amphibienzahlen in den nächsten Wochen nicht noch enorm steigern.

Vorsichtig und mit Handschuhen holt Julian Bähr das kleine, rund sieben Zentimeter lange Tierchen aus der Box und dreht es: Der Rücken ist grau, der Bauch gelb. Die Handschuhe trägt Bähr nicht zu seinem Schutz, sondern zum Schutz des Molches. Der könnte sonst mit einer bestimmten Hautpilzart infiziert werden. Bähr erklärt: „Diese tödliche Pilzerkrankung, auch Salamanderpest genannt, befällt zumindest Berg- und Teichmolche, möglicherweise auch Kröten.“ Für Meerbusch sei das Auftreten dieser Krankheit aber nicht wissenschaftlich belegt. Trotzdem könnte sie zumindest ein Grund für das geringe Amphibienaufkommen sein, vermutet der Naturschützer.

Andere seien etwa die drei Dürresommer in Folge. Bähr: „Und damit verbunden das Austrocknen der Laichtümpel in der Altrheinschlinge und des Landlebensraums der Erdkröten.“ Bei einem niedrigen Wasserstand in den Laichtümpeln kommen Fressfeinde leichter an die Kaulquappen und die heranwachsenden Tiere heran, die das Wasser noch nicht verlassen haben. Die ganzjährigen Entwässerungsmaßnahmen in der Ilvericher Altrheinschlinge hätten die Trockenheit noch begünstigt, erklärt er. Möglliche Folge von all dem: Die Amphibien haben sich nicht so gut vermehrt wie sonst.

Unter dichtem Gestrüpp
vor Greifvögeln geschützt

Entsprechend behutsam trägt der Ilvericher den Bergmolch in einer Wanne über die Straße und setzt ihn unter dichtem Gestrüpp in der Nähe eines Tümpels in der Altrheinschlinge aus. „Damit ihn die Greifvögel nicht entdecken.“ Die Vögel sind eine weitere Leidenschaft des gebürtigen Lankers. Auch diese zählt und beschreibt er, und es gibt wohl kaum einen Vogel in der freien Natur in Meerbusch, den Julian Bähr nicht kennt. Kein Wunder: Sein Vater Walter gründete in den 1970er Jahren in Meerbusch eine Ortsgruppe des DBV; die Abkürzung steht für Deutscher Bund für Vogelschutz. Später wurde der DBV in Nabu umbenannt. „Schon als Kind hat mein Vater mich mitgenommen in die Natur und mir alles gezeigt“, erzählt er. Deshalb veranstaltet auch er gerne Umwelt- und Bastelaktionen für Kinder, etwa Insektenhotels bauen, meist gemeinsam mit seiner Nabu-Kollegin Heike Höltkemeier. Und er ist auch beim Weidenschnitt in der Ilvericher Altrheinschlinge dabei.

Doch von Ende Januar bis Mitte April kümmert er sich um Kröten und Co. Unterstützt wird er dabei von elf anderen Meerbuscher Naturfreunden. „Viele Familien mit Kindern sind an den Wochenenden dabei, und Frauen sind eindeutig in der Überzahl“, sagt Bähr und lacht. Jeder, der an der K9 Kröten sammeln will, bekommt von ihm eine kurze Einweisung. Bähr: „Das ist kein Hexenwerk.“ Dann wird er im Schichtplan eingeteilt und sammelt entsprechend morgens oder abends die Amphibien aus den Holzkisten. Die Zahlen melden die Sammler in ihrer Whatsapp-Gruppe, Bähr leitet sie an die zuständigen Behörden weiter. Davon hängt beispielsweise ab, ob der Zaun an der Straße künftig verlängert oder optimiert wird. Von den Holzkisten stehen aktuell entlang des grünen Zauns fünf Stück. Einen Boden haben die Kisten nicht, stattdessen ist dort heller Sand ausgeschüttet. „Darin können sich die Tiere ein wenig eingraben“, erklärt Bähr, der täglich den Zaun auf Beschädigungen kontrolliert. Aufgestellt wurde dieser vom Kreis, weil die K9 eine Kreisstraße ist. „Die Zusammenarbeit mit der Unteren Landschaftsbehörde klappt gut“, sagt Bähr. Als etwa neulich, nach dem starken Schneefall, der Zaun kaputt war, habe der Kreis schnell zusätzliche Metallstangen geliefert, mit denen er den Zaun stabilisieren konnte.

Zum Abschluss seiner Runde wirft Julian Bähr einen letzten Blick in den Kunststoffeimer, der ganz am Ende des Schutzzauns in den Boden eingegraben ist. Der Eimer ist extra für Frösche. Der Naturfreund zupft ein bisschen Laub beiseite, aber einen Frosch findet er auch an diesem Morgen wieder nicht. „Vielleicht ja
morgen.“