Osterath: Hühnerdiebe bei Pastor Hövelmann

Augenzeuge: Helmut Ramrath flüchtete mit seiner Mutter 1943 vor den Bomben der Alliierten von Krefeld nach Osterath.

Osterath. Als Helmut Ramrath in der WZ ein Foto der Volkshochschule in Osterath sah, erinnerte er sich an ein Bild des Düsseldorfer Malers Josef Decker, das seine Mutter ihm vermacht hatte. Auf dem seiner Einschätzung nach weit vor dem Zweiten Weltkrieg entstandenen Bild ist im Vordergrund der denkmalgeschützte Bahners-Hof zu sehen, im Hintergrund lässt sich die heutige Volkshochschule erahnen.

"Das war damals noch die Volksschule", erinnert sich Ramrath, der heute in Oppum lebt, zwischen 1943 und 1958 aber in Osterath turbulente Jahre erlebte. Seine Lieblingsgeschichte: "Gegenüber der Schule hat Pastor Hövelmann gewohnt, dem haben Diebe eines nachts seine sieben Hühner gestohlen.

Am Sonntag hat er dann auf seiner Kanzel gewettert und sich vor allem über ein Schild beschwert, das die Diebe hinterlassen hätten. Darauf stand zu lesen: Der liebe Gott ist überall, nur nicht beim Pastor im Hühnerstall", berichtet Ramrath kichernd.

Der heute 75-Jährige überlebte im Juni 1943 mit seiner Mutter den Bombenangriff der Alliierten in Krefeld, bei dem über 1000 Menschen zu Tode kamen. "Wir haben vier lange Tage im Albrecht-Bunker verbracht, ehe wir uns wieder nach draußen trauten. Meine Mutter hatte nur ihr Handtäschchen mit dem Stammbuch dabei und aus welchem Grund auch immer einen Regenschirm. Ansonsten hatten wir nichts mehr."

Einzig möglicher Anlaufpunkt für Mutter und Kind waren die Großeltern in Osterath. "Die wohnten gegenüber des ehemaligen Sportplatzes Schiefelberg. Nach vier Tagen fuhr zum ersten Mal wieder eine K-Bahn, die haben wir erwischt.

Oma und Opa waren überzeugt, dass wir bei dem Bombenangriff gestorben sind. Man kann sich vorstellen, was für Augen die beiden gemacht haben, als plötzlich Tochter und Enkelkind in der Tür standen", berichtet Ramrath.

Trotz der Armut habe er im damals kaum 1000 Einwohner zählenden Osterath schöne Jahre verbracht, erinnert sich Ramrath. Nach dem Besuch der Volksschule absolvierte er eine Maurerlehre, mit dem Fahrrad musste er dann immer bis nach Krefeld zur Berufsschule fahren. Nach seiner Hochzeit 1958 zog er ganz nach Krefeld. Mit 37 Jahren ließ er sich zum Krankenpfleger umschulen und arbeitete dann 33 Jahre am Klinikum in Krefeld.

Von seinen medizinischen Fähigkeiten profitierte bis vor drei Jahren der OSV Meerbusch. "19 Jahre habe ich in Osterath Fußball gespielt, danach war ich dort der Doc." Noch immer fährt der 75-Jährige mit seinem Fahrrad zu den Spielen der Osterather, der Aufstieg der Mannschaft in die Bezirksliga habe ihn natürlich sehr gefreut. Fast noch mehr Spaß mache ihm sein Garten, "mein Ein und Alles", erklärt Ramrath euphorisch.

"Man muss sich nach der Rente ein Hobby suchen, versuchen, die viele Freizeit mit sinnvollen Dingen zu füllen, statt mit einer Kiste Bier immer vor der Flimmerkiste zu sitzen", appelliert der Pensionär im Brustton der Überzeugung an Gleichaltrige.